"VIS MEDICATRIX NATURAE"
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Friday, May 4, 2012

Mag wietpas worden geweigerd aan niet-Nederlanders..?

Een 'besloten club' een ledenlidmaatschap opdringen is één, en wellicht te rechtvaardigen door het Hof, maar de beperking opleggen dat: 'buitenlanders' en 'niet plaatsgenoten' moeten worden geweerd en GEEN LID kunnen worden is de zwakke schakel volgens mij.
Een besloten club heeft leden die al dan niet een lidmaatschapskaart overleggen alvorens toegang te krijgen tot de faciliteiten. De eisen die aan zo'n lidmaatschap verbonden zijn kunnen door clubregels worden bepaald, zoals leeftijd of geslacht. Een aantal beperkingen is bij wet niet toegestaan omdat dan sprake zou zijn van discriminatie, denk aan huidskleur, geloof of geaardheid. 
Inmenging van de overheid die restricties oplegt aan personen van buiten de landsgrenzen en zelfs aan ingezetenen van buiten een gemeente om lid te kunnen worden van een besloten club met de verplichting zich te laten registreren en privégegevens openbaar te maken, is niet legitiem.
Het weren aan de deur van 'niet leden' is niet illegaal en dus ook niet strafbaar; om de personen op voorhand echter al buiten te sluiten van deelname omdat ze uit een andere gemeente komen of een andere nationaliteit hebben, strookt niet met de Europese regelgeving.
Geen lid zíjn of geen lid mogen wórden, dat is een groot verschil, daarom ook dat meldingen op het politieburo van personen die geen toegang krijgen tot een shop, niet worden gehonoreerd. Anders zal dat zijn wanneer iemand komt vertellen dat hij/zij vanwege zijn woonplaats/nationaliteit geen lid mág worden van een dergelijke club...
De shops krijgen een waarschuwing indien zij aan 'niet-leden' verkopen, maar hoe wordt er nu opgetreden wanneer er 'buren' op de ledenlijst worden aangetroffen...? 
Is er dan een rechter die zegt: deze personen mogen GEEN lid zijn van deze club en moeten geschorst worden...???
Het opleggen van een maximum aantal leden zal ertoe leiden dat, bij het bereiken van dat aantal, de kleinere gebruikers van de ledenlijst worden verwijderd...
The Grass Company in Den Bosch heeft al verteld dat als iemand zich inschrijft en niet voldoende koopt, zijn lidmaatschap wordt opgezegd. Met een maximum van maar 2000 leden, hebben zij alleen interesse in de grotere afnemers.
Iemand die tegen de hoofdpijn, stress of andere ongemak, (of gewoon omdat hij er trek in heeft), eens in de zoveel tijd eens een kruidensigaret opsteekt, vist dan duidelijk achter het net. 
In deze hele hetze mis ik de aandacht voor de krachtige medicinale werking van deze plant....die vreemd genoeg als een drug betiteld blijft worden, terwijl zwaar verslavende producten zoals Alcohol en Tabak, die de gezondheid ernstige schade toebrengen, gewoon legaal over de toonbank gaan...
http://bert-firebert.blogspot.com/2010/01/healing-power-of-marijuana.html

Thursday, April 26, 2012

Dagboek Georg Rave (Duits) 1599 - 1675

Das Stammbuch des Georg Rave 

 Intro.
Der Doktor bei der Rechte Georg Rave entstammt einem münsterländischen
Beamtengeschlecht, das wir bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen können.
Sein ältester Bruder Ortwin Rave war der vierte Gograf seines Namens auf dem Stuhle zum
Hornborn auf dem Brame. Dies Amt war 150 Jahre lang (1491-1641) im Besitz der Familie1.
Nach Abschluß seiner Wanderjahre ging Georg zunächst in die Dienste der Grafen von
Holstein-Schaumburg auf Schloß Gemen und wurde auch Freigraf von Gemen. Als dieses
Geschlecht 1640 erlosch, wurde er der vertraute Hofrat des Generalfeldmarschalls
Reichsgrafen Alexanders II von Velen2 und als solcher Amtmann und Richter in Schermbeck,
wohin er auch übersiedelte. Ferner waren ihm die Richterämter in Raesfeld, Heiden, Brünen
und Hünxe übertragen.
Alexander war im Dreißigjährigen Kriege zu Ruhm und Reichtum gelangt und ließ das von ihm
ererbte Schloß Raesfeld in neuer Pracht erstehen3.Wie sein Zeitgenosse Wallenstein glaubte er
an die Macht der Sterne. Auch Georg scheint der Astrologie ergeben gewesen zu sein.
Merkwürdig genug, daß er im gleichen Jahre 1599 wie Alexander geboren ist und im selben
Jahre wie er 1675 starb....

Über das spätere Leben Georgs sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet. Er war die rechte
Hand Alexanders, übernahm seine politischen Aufträge, half seinen Reichtum mehren, kaufte
und tauschte Grundstücke für ihn, lieh ihm Geld aus und mußte sich sogar — leider ohne jeden
Erfolg — darin versuchen, Alexanders mißratenen Sohn zu erziehen und ihn zu vernünftiger
Lebensführung bringen.
Es sind uns die Bildnisse Georgs und seiner Frau Maria Ludgers erhalten, und zwar im Besitze
der von und zur Mühlen auf Haus Offer genannt Ruhr (s. Tafel I). Ebenso wie andere Andenken
an Georgs Familie können sie auf zweierlei Art hierhin gekommen sein. Einmal war Jobst
Hermann Nünning ein Enkel Georgs, dessen Tochter Alexandrine seine Mutter war und ihm
seinen geliebten Sitz Wiekinghoff im Kreise Borken vermachte4.

1 Vgl. Mar. Detering, Ed. Rave u. Wilh. Rave, Bericht über den 1. Familientag d. münsterl. Geschl. Rave,
Ottmarsbocholt 1938
2 Heinz Knust, Alexander II. von Velen, Diss. Münster 1938
3 Richard Klapheck, Die Schloßbauten zu Raesfeld u. Honstorf, Dorten. 1922
4 Claus Laas, Jodokus Hermann Nünning, der große Geschichtsforscher u. Altertumskenner d. Münsterl., im
Heimatkal. d. Kreise Borken u. Bocholt, 1932, S. 67 ff.

Nünnings Nachlassenschaft wurde aber schon bald nach seinem Tode in den Besitz der zur
Mühlen gebracht. Zum anderen heiratete 1688 eine Enkelin Georgs, Anna Christine Alexandrine Rave,
den Doktor Johann Henrich zur Mühlen, der 1704 den Zurmühlenschen Hof auf der
Salzstraße in Münster erwarb.
Auf einem dieser beiden Wege ist nun auch ein Stammbuch Georgs in das Archiv von Haus
Ruhr gekommen, das dort vor einiger Zeit von Dr. Josef Prinz wieder ans Tageslicht gezogen
wurde. Hierin hat Georg seine uns bisher unbekannte Jugendzeit gewissenhaft aufgezeichnet.
Die späteren Eintragungen über die Familien-ereignisse sind flüchtiger und hören 1666 ganz
auf. Da wir nur recht wenige Tagebücher kennen, die uns die Einzelheiten des Schulunterrichts und
des Universitätsstudiums im Anfang des 17. Jahrhunderts beschreiben, die das damals übliche

Pädagogenwesen und eine ausgedehnte Reise bis nach Westfrankreich schildern, so verdient
der Fund wohl eine ausführliche Veröffentlichung. Der Hintergrund des Dreißigjährigen
Krieges gibt dem Verlauf der Ereignisse zuweilen erhöhte Spannung.
Mit der Aufführung der gehörten Wunderberichte und der besuchten Reliquien erweist sich
Georg als Kind seiner Zeit. Trotz seiner Neigung zur Astrologie war er Zeit seines Lebens von
kindlicher Frömmigkeit beseelt. Niemals aber hören wir etwas über das Wetter, das doch auf
den Reisenden von heute von starkem Einfluß ist. Vor allem das Merkwürdige und
Absonderliche wird hervorgehoben, was der kleinen Schrift freilich ihren besonderen Wert
verleiht.
Die Namen der berührten Orte sind oft in alter Schreibweise oder auch nur nach dem
Hörensagen niedergeschrieben, sodaß ihre Auffindung viele Mühe machte. In manchen Fällen
blieb die Feststellung der Ortsnamen zweifelhaft, in anderen unmöglich. Sicherlich hat Georg
bei der Reinschrift Reise- oder Geschichtsbücher benutzt, da Verwechslungen mit Orten, die er
wahrscheinlich nicht berührte, nachzuweisen sind. In der beigefügten Karte sind nach
Möglichkeit alle genannten Orte eingetragen.
Der Fluß der Erzählung wird häufig unterbrochen durch lange Abrechnungen über die
Ausgaben, durch Münz- und Zinstabellen und die Abschriften von Obligationen, die einem
Herrn Düsterloh in Paris ausgestellt sind. Dies alles mußte hier übergangen werden. Schließlich
finden wir noch, manchmal von späterer Hand dazwischen geschrieben, die Niederschrift von
Rezepten, die teils Georgs praktische Art, teils seine Neigung zur Schwarzkunst verraten. Wir
wollen wenigstens ihren Inhalt durch die Aufzählung der Überschriften vermerken:

Ex fertissimum Lunae Album; Pour changer La Lune en Soleil; Pour Calciner Le tartare; Pour
Nettoir Les tapis; Pour faire un poulchre blanc; Pour faire la vray Cire de l'espaigne; Pour faire
oster les Cor au Pied; Pour faire d'encre; Pour faire de fruict sec de damas; Sur les Nopces; Pour
faire secher des poirs; Pour faire blanchir la Cire; Pour renoveller anciennes images de couleur
d'huyle; Un Secret pour faire des Esmauraudes (= Smaragden); Guet Dinten; Moyen de faire de
l'ebène plus beau que le naturel; Pour faire Courir un cheval un jour sans luy donner à manger.

— S. 27/8 beschreibt Georg die Besichtigung eines sezierten Menschen und S. 176/86 folgen
die Namen der Burgen, Flecken und Städte an Mosel und Rhein von Metz bis Köln.

Das ganz in Leder gebundene, mit Goldschnitt versehene Buch hat ein Querformat von 122 X
162 mm und umfaßt 376 Seiten, von denen 285 mit kleineren Unterbrechungen beschrieben
sind. Wie schon aus der Aufzählung der Rezepte hervorgeht, wechseln die drei Sprachen der
gelehrten Welt miteinander ab. Der ganze erste Teil seines Lebenslaufes, einige Überschriften
und der Schluß der Familiengeschichte sind lateinisch geschrieben. Beim Verlassen von Pont à
Mousson geht er unvermittelt ins Französische über, das er bis zur Schilderung seiner
Anstellung in Gemen beibehält. Die Abrechnungen und der Anfang der Familiengeschichte.
sind deutsch verfaßt. Der deutsche Text ist buchstäblich wiedergegeben, während die anderen
Teile übersetzt wurden. Anfangs hat sich der 24jährige Georg mit dem Lateinischen einen
Scherz gemacht, indem er die Silben vieler Worte verstellte, sodaß z.B. terpa miliasfa als pater
familias zu lesen ist. Einzelne Ausdrücke waren nicht zu lesen oder zu erklären. Es ist dies wie
auch die Zusätze jedesmal in eckigen Klammern oder in Fußnoten angemerkt 5  des Georg Rave aus Borken, anfangend mit dem Jahre 1599, aber erst 1623 in Frankreich niedergeschrieben.


5 Zu Dank verpflichtet bin ich Frau Baronin v. u. z.Mühlen für die Erlaubnis zur Veröffentlichung, Herrn Dr. -Jos.
Prinz für die Übertragung des ersten Teils und manchen freundlichen Helfern, besonders Herrn Dr. Th. Rensing in Münster und Herrn Stadtbaurat Dr. Hans Vogts in Köln.

 ******

STUDIEN- UND REISEBERICHT

Georg Rabe  (stamboom)
1599-1675

Chronicon meines ersten Jahres nach der Gründung Roms:
„Ter noVIes febrVos hlleMaLI Vt LVMIne pIsCes FLorIgerVs phoebVs MoVerat aXe poLI"

Und nach der Gründung Köln:

Ich war geboren als Sohn des Richters und hohen Gografen
Dieser Stadt Borken, als unser Land der Spanier drückte6.
Im Jahre des Herrn 1599 am 19. September, zur dritten Stunde, bin ich unter dem Zeichen der
Wage als letztes von neun Kindern meines Vaters Ortwin Rave, Richters und Gografen meiner
Vaterstadt [Borken] geboren. Meine Mutter war Anna Kotting aus Ahaus, eine allerbeste
Mutter und mir innig zugetan. Es war zu der Zeit, als der spanische Admiral alle Städte
Niedersachsens mit spanischen Besatzungen belegt hatte und im Begriffe stand, die schon um
Ostern aus den Winterquartieren herausgeführten Truppen den Holländern in den Niederlanden
entgegen zu werfen7.
Eben herangewachsen schickten mich meine Eltern trotz meiner Unlust und meines
Widerstrebens zur Schule unter Leitung des Magisters Eberhard von Anten und des Mathias
Gweidner. Ich suchte stets nach Gelegenheiten, mich ihnen zu entziehen und zum Spielen
davon zu laufen. Schließlich aber wandte ich unter Aufsicht des Magisters Wilhelm Cuser
meinen Sinn ernstlich dem Studium zu und erwarb mir vorzügliche Grundkenntnisse, auf denen
ich dann in Münster mit Leichtigkeit weiter aufbauen konnte8.

Im Jahre 1614 schickten mich meine Eltern trotz anfänglicher Bedenken — sie scheuten
nämlich die Höhe der Kosten — , da die Vorsehung es mir so bestimmt hatte, nach Münster, der
Hauptstadt Westfalens, wo ich um den 5. April mit einem Wagen meiner Vaterstadt in
Begleitung meines Bruders Hermann, der die Erlaubnis bekommen hatte, mich zu holen,
eintraf9. An dem genannten Tage reisten wir also ab und kamen über Velen nach Coesfeld, wo
wir in der Herberge des Bernhard Boikers übernachteten; eine gute Herberge zwar, aber wegen
der schrecklichen Unsauberkeit der Schweine und der Unzahl der Mäuse unbeliebt.
Am 6. des genannten Monats [April 1614] gelangten wir dann über Darup, Nottuln, Fleum [?],
Roxel nach Münster, und blieben die erste Nacht über bei Martin Koch in der Nähe der
Agidikirche, einem guten und munteren, aber ungemein dicken Menschen. Am nächsten Tage
begab ich mich mit meinem Bruder Hermann zu einer Wirtin, genannt „die Koiegsche", am
Wegesende ins Logis, der ich halbjährlich 15 Reichstaler für Kost und Logis geben mußte.

6 Der erste Doppelvers ist schwer übersetzbar. Er mußt in Zusammenhang gebracht werden mit der Astrologie
und dem Tempeldienst des Phoebus Apollo, bei dessen Weihespielen 3 X 9 Chöre von Knaben und Mädchen
sangen (vgl. Ernst Sackur, Sibyllinische Texte u. Forschungen, Halle 1898, S. 153). Ein Zusammenhang mit
Georgs Geburtsjahr bleibt uns verborgen. Doch ergeben die großen Buchstaben der ersten Zeile im lat. Text des
zweiten Doppelverses die Jahreszahl 1599. Demnach hat Georg das Jahr der Gründung Kölns mit dem Anfang
unserer Zeitrechnung gleichgesetzt.
7 Herzog Ernst v. Bayern (1554-1612), seit 1583 Kurfürst und Fürstbischof von Köln und Münster, hatte gegen
seinen evangelischen Mitbewerber Gebhard v. Waldburg spanische Truppen ins Land gerufen. Dadurch wurde
Westfalen in den Befreiungskampf der Niederlande (1568-1648) mit hinein gezogen, sehr zum Schaden für die
betroffenen Gegenden. Holländische Scharen fielen ein und 1599 wurde besonders das westlicheMünsterland von
den Spaniern gebrandschatzt. Im gleichen Jahre wütete auch die Pest am Niederrhein und in Westfalen.
8 Eberhard von Anthen wird als Rektor auch bei Nünning, Mon. Monast. Dec. I, 389, als Erneuerer des
Christophorus-Gemäldes in der Pfarrkirche zu Borken erwähnt. — Wilhelm Cuser ist wahrscheinlich identisch mit
Wilhelm Custerus (Cüster) aus Emmerich, welchen A. Egen, Der Einfluh der Münsterschen Domschule auf die
Ausbreitung des Humanismus in Festschrift des Paulinums. Münster 1898, S. 29 erwähnt.
9 Der 3 Jahre ältere Bruder Hermann war also damals bereits auf dem Paulinum in Münster.

Drei Tage vor dem Feste des Hl. Georg [20. April] wurde ich von Pater Hermann Bösendorp10
geprüft und in die Infima, der Pater Caspar Brandis vorstand, zugelassen11. Mein Bruder war
damals in der Poetica unter Pater Otto. Gegen Ende des Jahres kehrte ich, ohne mich mit einem
Aufsatz um einen Preis beworben zu haben, mit meinem Verwandten Theodor Schütz12 nach
Hause zurück. Unser Weg führte uns über Nottuln, berühmt durch das freiweltliche Damenstift,
vorbei an Darup, gelegen am Fuß eines sehr hohen Berges [= Baumberge!] nach Coesfeld, so
genannt nach seiner Lage inmitten lieblicher Weiden, mit seinen herrlichen weltlichen und
kirchlichen Gebäuden, mit seiner doppelten Mauer, mit seinem wassergefüllten Stadtgraben
und mächtigem Walle. In zwei Wasserläufen durchströmt die Berkel die Stadt, die wegen ihres
Handels mit dem allerfeinsten Linnen und auch wegen der Nachbarschaft der berühmten
Prämonstratenserabtei Varlar alle Städte der Diözese Münster mit alleiniger Ausnahme von
Münster selbst überragt. Von dort führte uns der Weg nach Gescher, einem überaus großen
Dorf, das für die Kaufleute, die nach Friesland mit Pferden, Butter, Käse, Leinen usw. handeln,
wichtig ist; es untersteht der Gerichtsbarkeit meines Bruders, des Gografen. Über Stadtlohn,
das an einem Tage [1611] durch eine Feuersbrunst gänzlich zerstört wurde, jetzt aber zum Teil
schon wieder aufgebaut ist, und wo unser Verwandter [Schütte] sich ein neues Haus gebaut hat,
das er mit meiner Schwester Gertrud schon bewohnt, gelangten wir nach Südlohn, wo wir dem
Edlen Herrn Johann von Loen13 guten Tag sagten und bei ihm auf der Burg frühstückten. Ich
hatte dort einmal, als zu Hause die Pest wütete, ein halbes Jahr lang mit den Söhnen des Hauses
bei unserm Lehrer Eberhard von Anthen [s. o.] Unterricht gehabt. Von dort gings nach Gemen,
dem prächtigen und weithin sichtbaren Schloß der Grafen von Schaumburg und Sternberg 14.
Und dann war es nur noch eine Viertelstunde Wegs bis zu meiner Vaterstadt Borken, wo ich
gleichsam nach langer Pilgerfahrt frohgemut eintraf, um mich in den dreiwöchigen Ferien, die
bis zum Feste der Hll. Simon und Juda [28. 10.] dauerten, zu erholen.
Zurückgekehrt nahmen mein Bruder und ich Logis bei Johann Boumann15, Kanzelisten an der
fürstlichen Kanzlei, auf dem Hofe des Grafen von Bentheim, dem sogen. „Gravinnenhoeff"
beim Tor St. Maria in Überwasser16. Dort wohnten wir „à chambre". Nach Allerheiligen stieg
ich als erster nach denen, die Preise gewonnen hatten, zur Secunda auf, zusammen mit meinem
Klassenlehrer17. Als Hauslehrer hatte ich gemeinsam mit den beiden Adeligen Johann und Theodor
 von Burlo aus Borculo den Johann Marhülsen, der mit uns zusammen wohnte.

10 war damals Rektor des Paulinums.
11 C. Brandis war damals ein berühmter Prediger; W. Z. 13. 126. — Zum besseren Verständnis sei hier kurz das
Schulsystem der damaligen Zeit geschildert. Hatte der Knabe die Volks- oder Trivialschule, auf der er
Buchstabieren, Lesen und Schreiben gelernt hatte, absolviert, dann kam er aufs Gymnasium, das damals meist nur
fünf Klassen umfaßte, nämlich die Infima, Secunda, Syntaxis, Poetica und Rhetorica. Hier widmete sich der
heranwachsende Jüngling den studia inferiora, den niederen Wissenschaften, die auch litterae humaniores
genannt wurden, als Vorbereitung für das Universitätsstudium (studia superiora). Vgl. Fr. Zurbonsen in der
Festschrift des Paulinums, Mstr. 1898, S. 54.
12 Theodor Schütz oder Schütte hatte Georgs 14 Jahre ältere Schwester Gertrud zur Frau (s. u.). Er war Richter in
Stadtlohn.
13 Die Familie von Lon, schon um 1500 in Südlohn nachgewiesen, stirbt hier 1741 aus.
14 Die Grafen v. Holstein-Schaumburg saßen von 1439 bis 1635 auf Gemen. Über das Verlöschen des
Geschlechtes s. u.
15 15 W. Z. 59, 31.
16 Heute der Galensche Hof am Neuplatz.
17 Es war vorgeschrieben, daß jeder zur Kost in einer sog. "Contubernia" wohnende auswärtige Schüler einen
"Pädagogen" oder Hauslehrer hatte, der Ihn in allem beaufsichtigen sollte und für den es genaue
Verhaltungsvorschriften gab. Das war fast immer ein Schüler der oberen Klassen. Die Klassenlehrer waren die
„Praeceptoren", die bei der Versetzung nach Allerheiligen gewöhnlich mit ihrer Klasse aufstiegen. Eine etwas
andere Darstellung bei H. Tebbe, „Pädagogen" und „Präzeptoren" am Gymnasium in Münster, Festschrift des Paulinums, Münster 1898, S. 107 ff.

Bevor ich jedoch in meinem Bericht fortfahre, will ich zuvor Münster kurz beschreiben18. Die
Stadt liegt in einer überaus lieblichen Gegend inmitten von Weiden, Wäldern und
blumenreichen Gärten, rings von Bächen durchflossen; sie wird durch den doppelten Lauf der
Aa in zwei Teile getrennt. Mit ihrem Dom, dem gut ausgestatteten Arsenal, seinen kunstvollen
Kirchenbauten, mit seiner Mauer, seinem hohen Wall und doppelten Graben, mit seinen breiten
Straßen, endlich mit seinem strengen und gelehrten Jesuitenkolleg steht sie hinter keiner
anderen Stadt Westfalens zurück. Am Lambertiturm sieht man drei eiserne Körbe mit den
Leichen des Wiedertäuferkönigs von Münster und seiner Gesellen, die im Jahre 1533 die vom
Bischof belagerte Stadt ein ganzes Jahr lang verteidigten, schließlich aber überwunden und
jämmerlich zu Tode gezwackt wurden.

Braun-Hogenberg ca 1610


Im Jahre 1615, als ich noch die Secunda besuchte, befiel mich nach Bartholomei [24. 8.] das
Fieber, und ich reiste mit meinem Bruder auf einem Wagen nach Hause, wo ich zwei Monate
krank gelegen habe. Herr Hemmer, der Rentmeister von Raesfeld, wollte mich damals mit
seinem Gespann nicht mitnehmen aus Furcht vor der, wie er meinte, ansteckenden Krankheit.
Damals hat mein Bruder das Studium aufgegeben und ist bei unserm Verwandten Schütz als
Copist eingetreten. An dem Tage, an dem ich zur siebten Stunde mit meinen Kameraden
Lambert von Kapelle (wohnte mit mir in dem gleichen Kosthaus)19 und Vetter Johan Theben,
der im Hause des edlen Ernst von Westerholt einlogiert war, auf dem Wagen unsers Verwalters
Langela wieder nach Münster fuhr, starb um die 11. Stunde mein Vater seligen Angedenkens
und ging ein ins himmlische Vaterland. Er hatte lange Jahre das Amt eines Richters und
Gografen in der Stadt [Borken] und im Umkreis von 4 Meilen und zugleich das eines
Rentmeisters der edlen Barone von Velen und Raesfeld, Drosten und fürstlichen Marschalls,
höchst rühmlich innegehabt. Er wurde drei Tage später in meiner Abwesenheit und ohne, daß
ich es auch nur wußte, in der St. Remigiuskirche [in Borken] unter Teilnahme fast der ganzen
Stadt als fast Neunzigjähriger20 zur Erde bestattet.
Ich hatte meine Studien schon wieder aufgenommen, als mir meine Mutter ein Trauergewand
schickte, mit dem bekleidet ich dann einen Preis in Empfang nehmen konnte für den besten
Aufsatz, den ich gleich nach meiner Rückkehr geschrieben hatte. Unter Beibehaltung des alten
Klassenlehrers stieg ich dann in die Syntaxis auf. Um Ostern haben wir gemeinsam mit unserm
Hausherrn [Baumann] das Quartier gewechselt und haben bei St. Ludgeri (Ludgerus war als
erster Bischof Westfalens von Karl dem Großen, König der Franken und Kaiser der Römer,
eingesetzt worden. Er hat jenes Volk, nachdem Herr Widukind, der Herzog der alten Sachsen,
besiegt war, mit den Wahrheiten der katholischen Kirche bekannt gemacht. Er liegt im Kloster
Werden begraben.) zusammen mit dem genannten [Lambert] von Kapelle und zwei weiteren
Adeligen bis Michaelis Wohnung genommen. Nachdem dann unsere beiden Adeligen
fortgezogen waren, der eine um zu heiraten, der andere, um beim Grafen von Styrum, Domherrn
 in Köln und Osnabrück, Dienste zur nehmen, haben wir im Alten Hof bei Herrn
Licentiaten [Heinrich] von Detten (jetzt Kanoniker am Alten Dom und geistlicher Richter bzw.
Offizial) Unterkunft gefunden, zumal auch der vorerwähnte Herr Baumann vom Fürsten zum
Richter in Beckum ernannt worden war, und nun dorthin wegzog.

18 Est ergo loco in amoenissimo, pascuis, rivulis undique perfusis, silvis et hortis floridissimis circumcirca cincto
positum alphae bifodo scinditur ostio, cathedrali ecclesia, bene instructo arsenali, templorum structuris
elegantissimis, muro, vallo crassimo, fossa duplici, plateis latissimis collegio Jesuitarum rigidissimo et doctissimo,
nulli civitatiWestphaliae totius cedit. Ad turrim S. Lamberti tres corbes ferrei regis Monasteriensis anabaptistae et
sociorum corpora gestantes conspiciuntur, qui anno 1533 toto anno cinctam civitatem ab episcopo defenderunt et
tandem superati et miserabiliter dilaniati sunt.
19 Ein Heinrich von der Kapelle war 1623 Richter in Borken und wahrscheinlich sein Vater; W. Z. 13, 153.
20 In Wahrheit wurde Gograf Ortwin Rave d. Ä. 82 Jahre alt.

Im Jahre 1616 gewann ich in der Syntaxis den Preis für das beste Gedicht. Es wohnten damals
mit mir zusammen der mehrerwähnte von Kapelle, Johann Rham aus Werl21, Gottfried
Gweidner und Jacob Nienhaus, Diener unseres [Haus]herrn. Da jetzt die Pest zu wüten begann,
wurde die Burse schleunigst geschlossen. So waren wir gezwungen abzureisen.
Nach meiner Rückkehr um Allerheiligen haben mir Pater Rudolf Hummelius, ein Verwandter
von mir, der von Emmerich zusammen mit meinem Bruder, der damals dort die Rhetorica
absolvierte, nach Borken gekommen war und den nun meine Mutter mit einem Wagen nach
Münster hatte fahren lassen, und mein Lehrer und Beichtvater Johann Steil eine Stelle [als
Hauslehrer] versprochen.
Nachdem ich also in einem Jahre die Syntaxis absolviert und einen Preis gewonnen hatte,
wurde ich unter meinem alten Klassenlehrer in die Poetica versetzt, und nachdem ich auch diese
Klasse durchlaufen war, bin ich um Michaelis 1617 in die Ferien nach Hause gefahren. Um
Simon und Juda [28. Okt.], am gleichen Tage, als ich zur Schule zurückkehrte — welche
merkwürdige Wiederholung des Schicksals! — starb mein vielgeliebter Verwandter Theodor
Schütz, Rentmeister der Edlen von Heiden und Münchhausen, ersten Drosten der Grafschaften
Schaumburg und Sternberg, Richter in Stadtlohn und Gescher, unter Zurücklassung meiner
schwangeren Schwester. Das war im Jahre 1617 nach Michaelis. Nach Münster zurückgekehrt,
besorgten mir die ehrwürdigen Patres eine ehrenvolle Stelle bei Herrn Johann Herding
Bürgermeister der Stadt, bei dem seine drei Söhne, nämlich Heinrich22, Johann und Gerhard
Gottfried zu beaufsichtigen hatte, dafür aber stets mit meinem Herrn zusammen zu Tisch zu
gehn für würdig gehalten wurde.
Nachdem ich in diesem Jahre den Preis für das beste Gedicht in der Poetica gewonnen hatte,
stieg ich zur Rhetorica auf. Von meinen Schülern rückten zwei in die Syntax und der Kleine zu
M. Lucas auf.
Im Jahre 1617 ging mein Bruder Hermann nach Paderborn, um dort unter Pater Wilhelm
Aschebroch die Philosophia zu absolvieren. Ich gewann damals um Michaelis nach Abschluß
der Rhetorica und nach Rückkehr aus den Ferien den Preis für das beste Gedicht. Meine vier
Preise habe ich meiner Mutter zum Aufbewahren gegeben, zugleich auch das schöne vergoldete
Gebetbuch, das mir mein Klassenlehrer Caspar [Brandis] zum Zeichen seiner Freundschaft —
ich hatte ihn auf allen [5] unteren Klassen als einzigen Präzeptor gehabt — bei seiner Abreise
nach Würzburg im Jahre 1618 öffentlich überreicht hatte. Ich stieg dann zur Universitätsklasse]
Logica unter Pater Ditmar Hardenach auf, meine Schüler zur Poetica.

Im Februar 1618 erschien jener furchterregende, doch nie so wunderbar gesehene Komet, dem
jener blutige Böhmische Krieg — von dem ich besser garnichts als nur weniges erzähle — im
Jahre 1619 auf dem Fuße folgte. Gegen Ende dieses Jahres, nachdem ich die Logica absolviert
und fein säuberlich niedergeschrieben hatte, bat ich meinen Herrn um Urlaub, obwohl ich schon
zur Pfingstzeit zu Hause gewesen war. Damals hatte mein Bruder Hermann nach seiner
Priesterweihe zu Münster in der Remigiuskirche [zu Borken], an der er jetzt Kanonikus ist,
unter Teilnahme fast aller seiner Verwandten öffentlich seine Primiz gefeiert, bei welcher
Gelegenheit ich mir bei meinen Verwandten Rat [für meine Zukunft] geholt hatte. Man ließ
mich daher nur ungern wieder gehen, lohnte mich aber trotzdem freigebig ab. So zog ich, von
meinen Schülern und ihren Dienern eine Meile Wegs begleitet, nach Hause, nachdem ich die
unteren humanistischen Klassen und die Logica durchlaufen hatte.

21 Ein Rham war 1625 Bürgermeister in Werl und vielleicht sein Vater; W. Z. 13, 300.
22 War 1647 und 1648 Bürgermeister in Münster über seinen Vater vgl.W. Z. 18, 104 u. 57, 65.

Nach Martini (11. November 1619) begleiteten mich dann meine Mutter und mein Bruder
Gerhard23 mit dem Wagen des Peter Knusting bis nach Wesel. Dort verabschiedete ich mich
von meiner weinenden Mutter und fuhr mit der Posteilends nach Köln, da ich nicht erst die
Gelegenheit eines stromaufwärts fahrenden Schiffes abwarten wollte. Über die Lippe, den
bedeutendsten Fluß der Mark, und über Duisburg ging es nach der bergischen Hauptstadt
Düsseldorf. Nachdem ich jetzt die Post verlassen hatte, da ich nicht länger Tag und Nacht in ihr
sitzen mochte, kam ich endlich nach drei Tagen nach Köln, allein als Fremder in die ihmfremde
Stadt. Ich kehrte ein im Gasthof zum „Goldenen Schwein", in dem ich einen Wirt ohne Falsch
und eine ebenso leutselige Wirtin antraf. Jener ist, wie ich erfahren habe, im. Jahre 1622
gestorben; ich wünsche ihm alles Gute in Ewigkeit!
Am nächsten Tage bin ich dann gleich scharf geprüft worden. Nachdem ich darüber ein Zeugnis
bekommen hatte, habe ich mich bei einer Jungfer Sibylle in der Nähe von Maria Ablaß24 mit
meinem Kameraden Johann Folga und anderen aus Kalkar eingemietet. Nach einer Woche
jedoch bin ich nach Bezahlung aller Schulden ins „Goldene Schwein" zurückgekehrt. Dort bin
ich geblieben und habe für die ganze Zeit bis Christi Himmelfahrt rund 30 Reichstaler bezahlt.

1620. In diesem Jahre bin ich durch die Bemühungen des Generalvikars und Pfarrers an Klein
St. Martin Adolf Sculcken aus Geldern25 und des hochwürdigen Paters Dunnenwaldt26
unter dem ich damals notgedrungen die Logica wiederholte, nachdem ich im Winter bereits die
Rechtsinstitutionen studiert hatte — und durch Verwendung des Paters Niccell eine Stellung
[als Hauslehrer] bei Herrn Gerhard Piel, einem der ersten Kaufleute des Kurfürsten, Senator
und Vorsteher seiner Gaffel angenommen27. Ich verpflichtete mich, außer meinen sonstigen
Verpflichtungen 25 Reichstaler zu geben und trat meinen Dienst auf Christi Himmelfahrt an.
Ich übernahm dort die beiden Söhne Gerhard und Johann Georg. Ersterer war auf der Intima,
letzterer besuchte noch die Volksschule28 .
Nachdem ich die Logica wiederholt hatte, stieg ich zur Physica auf. In Köln ist es nämlich Sitte,
nieman dem zum Studium der Philosophie zuzulassen, der nicht entweder den ganzen Kursus
oder doch mindestens einen Teil der Philosophie auf einer anerkannten Universität gehört hat.
Mein Gerhard kam damals in die Secunda.

23 Wurde später Rentmeister und Bürgermeister in Borken.
24 Von der 1908 abgebrochenen Pfarrkirche Maria Ablaß steht heute nur noch eine Seitenkapelle; Inv. VII, 3, S.1251.
25 Ad. Schülken, Pfarrer seit 1606, Rektor der Universität 1623/25, +1626, war ein bedeutender Prediger und machte eine Studienstiftung. Sein Bildnis im Pfarrhaus S.M. im Kapitol. Von der Kirche Klein St. Martin steht heute nur noch der Turm.
26 Pater Heinr. Dünnewald war Professor der Metaphysik.
27 Gerhard Piel oder Peil war ein reicher Tuchhändler am Heumarkt und Kirchmeister von Klein St. Martin, verheiratet mit Anna von Hontum. Gaffel war die Bezeichnung für die Gilde.
28 Stadtarch. Köln, Gymn. Tric. Nr. 1007: Am 17.8. 1622 in der Syntax Gerardus Piel Colon. 13 J. alt, 1623 in der Infima Joh. Georg Piel Colon 9½ J. alt mit dein Zusatz: Ingenium 4, Nihil in eo maturum! 1626 derselbe in der Syntax. 1627 in derselben Klasse mit dem Zusatz: nugax puer et garrula pica (ein Possenreißer und eine schwatzhafte Elster)!

Wenige Tage vor Michaelis starb Gertrud [geb. Budde], die Frau meines vielgeliebten Bruders
Friedrich, die von Schwerte gekommen war, um meine Mutter zu besuchen, durch einen Boten
erschreckt, zusammen mit ihrem Kind Matthias an der Pest. Sie hinterließ zwei kleine Knaben
Ortwin und Albert unter der Obhut unserer Tante Anna von Tacken, Jungfer des dritten Ordens
in Duisburg, das heute Graf Johann von Nassau für den König von Spanien besetzt hält. Dieser
Ort liegt zwischen Ruhr und Rhein in einer lieblichen Gegend, bekannt durch den „Duesburger
Waltt", der wegen seiner Räuber und Landstreicher sehr verrufen ist.

Im Jahre 1621 bin ich unter P. Heinrich Dunnewalt in Physik öffentlich geprüft und dann zum
Baccalaureus der Physik promoviert worden. Das kostete mich 5 Reichstaler. Eingeladen hatte
ich meinen gnädigen Herrn Piel, den Herrn Generalvikar und Herrn Everhard Frialdenhoff29.
Um Pfingsten heiratete dieser Fräulein Catharina Piel, die untadelige Tochter meines
Hausherrn. Ihnen bot ich ein gedrucktes Hochzeitsgedicht von etwa vier Folioseiten an, ebenso
mein Gerhard und auch Gerhard Frialdenhofen. Für diese Ehrung schenkte er mir ein ganzes
schwarzseidenes Gewand, bestehend aus Rock und Pluderhosen, mit einer seidenen Weste von
violetter Farbe mit silbernen Borten und Knöpfen.
Gegen Ende des Jahres 1621 weilte mein Onkel Dietrich Theben30 und Dietrich van Reken in
Köln, mit denen ich, mein Gerhard und mein Vetter Johann Theben nach Hause fuhren.
Zunächst gelangten wir längs des Rheins nach Zons, das [16. 5. 1620] von einem schrecklichen
Brand heimgesucht worden war und wo das [Kölner] Kapitel einen Rheinzoll erhebt. Zu Fuß
ging es dann nach Düsseldorf und von dort wieder zu Schiff nach Duisburg. Dort trafen wir
meinen Bruder Friedrich31 , der gerade von seinem Schwiegervater aus Schwaben zurückkam.
Mit ihm reiste ich dann auf einem Wagen über Dinslaken nach Hause.
Um Allerheiligen besichtigten wir das Lager Spinolas32 bei Burich (= Büderich bei Neuß), der
sich von hier gegen die Holländer wandte. Dann fuhren wir mit dem holländischen Schiffer Jan
Richer nach Köln, wo wir trotz eines Sturmes, der Mast und Segel zerbrach und in den Rhein
stürzte, wohlbehalten ankamen.
Am Tage nach Martini befiel mich ein Nasenbluten. In zwei Tagen und einer Nacht habe ich so
viel Blut verloren, daß ich an der Kunst der Ärzte verzweifelte, an meinem Bett eine Messe
lesen ließ, kommunizierte und schon mein letztes Stündlein gekommen wähnte. Schließlich
behielt ich offensichtlich durch göttliche Fügung mein Leben. In fünf Monaten kam ich kaum
wieder zu Kräften. Gott vergelte — das ist mein tägliches Gebet — Frau Piel in alle Ewigkeit
die Wohltaten und Dienste, die sie mir damals geleistet hat.

Im Jahre 1622 beendigte ich um Maria Lichtmeß [2. Februar] die Metaphysik, nachdem ich
zum zweiten Mal die Logik, die Physik, Mathematik, Geometrie, Arithmetik, Ethik, den
Katechismus und die Metaphysik gewissenhaft schriftlich ausgearbeitet und ferner die
Rechtsinstitutionen ein zweites Mal bei dem berühmten und gelehrten Licentiaten der Rechte
Anton Fabens33 gehört hatte. Jetzt wurde ich zur Magisterprüfung zugelassen, die ich als
zweiter von 15 zusammen mit Hermann Meschede aus Münster ehrenvoll bestand34. 10
Goldgulden gab ich für die zur Prüfung nötigen Dinge, 3 für die Prüfung selbst, 3 Reichstaler
schließlich für die Einladung meines Hausherrn, meines Vetters Eberhard, Christoph Voß,
Heinrich Herding, der in Münster mein Schüler war [s. o.], und Albert Bochorst35.

29 Everhard Freyaldenhoven, Ratsverwandter, Weinmeister und Kriegskommissar der Stadt, seit 1638 Ratsherr, +1658. Er wohnte am Heumarkt (Nr. 6) neben Piel, dessen Tochter Catharina ihm 13 Kinder schenkte.
30 Dietrich Theben, Rentmeister zu Borken, war mit Georgs ältester Schwester Maria (geb. 1575) verheiratet.
31 Friedrich Rave, dessen Frau Gertrud Budde, wie oben berichtet, 1620 gestorben war, wurde später Vogt in Ütersen bei Pinneberg (Schleswig-Holstein). Er heiratete zum 2. Mal Enneke Meyers.
32 Spinola, 1569 in Genua geboren, war spanischer Feldherr und nahm 1625 Breda ein. +1630.
33 Fabens war städtischer Syndikus in Köln; +7.9. 1662.
34 Vgl. über diese Prüfung Stadtarch. Köln, Gymn. Trick. 1006 v.17.2. 1622. Es waren im ganzen 10 Akte mit zusammen siebenunddreizig  neuen Magistern, dabei auch "Georgium Rave Borkensem".
35 Albert Boichorst, Syndikus und Geschichtsforscher inMünster, schriebMitte des 17. Jh. über Bischof Erpho,W. Z. 4, 19 u.
38, 40; wohl Nachkomme des Lic. Albert B., der 1562 u. 1567 in W. Z. 74, 19 u. 26 genannt wird.

Nachdem dies alles überstanden war, begann ich sogleich über den Treutler36 zu disputieren und zwar
unter dem berühmten Johann Kranen aus Geseke in Westfalen37. Gegen Ende dieses Jahres
zwang die heftig auftretende Pest mich und meine Schüler, Köln zu verlassen. Aber am 3.
August habe ich dann zum ersten Male in der juristischen Fakultät drei öffentlich
angeschlagene Thesen verteidigt. Die erste „Über die Diebstähle" habe ich den Herren Herding
und Piel gewidmet, die zweite „Über den Raub" dem Stadtrat von Borken und die dritte „Über
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" dem großzügigen Herrn und Grafen Jobst
Hermann von Schaumburg und Gemen.

Danach fuhr ich mit einem Weseler Schiff in Gesellschaft meiner beiden Schüler den Rhein
hinunter bis nach Wesel. Hier, in der durch ihren Reichtum, ihre Gebäude, ihren Handel und ihr
Aussehen berühmten und ausgezeichneten clevischen Stadt, in der eine spanische Besatzung
liegt und das berühmte Altersheim sich befindet, in dem alte Männer freigebigst verpflegt
werden, blieben wir 14 Tage bei Herrn Johann Cochemius, einem ausgezeichneten Arzt und
Verwandten meines Hausherrn. Dann fuhren wir nach Hause zu meiner Mutter, für die ich von
Herrn Piel ein Fäßchen Wein mitbekommen hatte, das wir, von unserer Mutter zwei Tage
prächtig bewirtet, in fröhlichem Gelage mit allen Geschwistern und Verwandten ausgetrunken
haben.
Nach Martini [1622] zogen der Graf [Ernst] von Mansfeld und der Bischof von Halberstadt38
mit dem ganzen Heere auf dem Wege nach Friesland hier durch. Wir wurden deshalb von
meinem Hausherrn zurückgerufen und kehrten nach Wesel, zum Herrn Doktor zurück. Von
dort fuhren wir mit einem Schiffer aus Doetichem den Rhein hinauf, wobei wir wegen der
ungünstigen Wasserverhältnisse acht Tage auf dem Rheine liegen blieben. Schließlich
gelangten wir über Rheinbeck [= Rheinberg], das nach dreimaliger Eroberung jetzt im Besitz
der Spanier ist und in der ganzen Welt wegen seines dreifachen Walles und doppelten Grabens,
der Unzahl seiner Geschütze und seiner auf beiden Seiten des Rheins gelegenen Bollwerke
berühmt ist, nach Ruhrort, bekannt durch seine hochgelegene Burg und durch das Unternehmen
des Grafen de Bugnoy39. Von dort ging es über Kaiserswert mit seiner viereckigen Burg,
Angerort [= Angermund], Düsseldorf, Auffdenstein [Rheininsel bei Neuss], Neuss und Zons
nach Mülheim. Dort hatten die Häretiker eine ganz neue Stadt mit sehr schönen Gebäuden,
einem breiten Graben und Toranlagen zu erbauen begonnen, die nachher die Kölner mit
Einwilligung des Kaisers Matthias [1612-19] von Grund auf zerstört haben40. Endlich
gelangten wir wohlbehalten in Köln an, nachdem wir 3 Monate von dort fort gewesen waren.

Cölln, 1700.

36 Hieronymus Treutier, geb. 1565 in Scbweidnitz, gest. 1607 als kaiserlicher Rat in Bautzen, zeitw. Rechtslehrer in Marburg und Herborn, schrieb 1592/3 Selectae Disputationes, ein in vielen Auflagen verbreitetes Lehrbuch.
37 Johann (de) Krane war kaiserlicher Bevollmächtigter bei den Friedensverhandlungen in Münster. Sein Bildnis im
Friedenssaal.W. Z. 27. 340; 32. 96; 33. 162.
38 Der Administrator (vgl. Bischof) von Halberstadt war seit 1615 Herzog Christian von Braunschweig, der „tolle Christian", der ein Jahr später (6. 8.1623) von Tilly entscheidend imLohner Bruch geschlagen wurde. An dem blutigen Treffen nahm auch Alexander II als Hauptmann teil, und brachte des Herzogs Wilhelm von Weimar Zaum- und Sattelzeug als Beute heim.
39 Das stark befestigte Schloß Ruhrort war 1606 von den Spaniern erobert, 7 Jahre nach Georgs Besuch von den Holländern. Kurz darauf geschleift. Graf Karl Bernard de Bucquoy war österr. General d. Artillerie unter Spinola.
40 Mülheim, im Besitze der bergischen Herzöge, wurde nach dem Zuzug der aus Köln vertriebenen Protestanten zu einer
ernsten Gefahr für den Handel und die Politik Kölns, das seine Befestigung dauernd zu hintertreiben suchte. Als die Fürsten von Brandenburg und Pfalz-Neuburg seit 1610 trotz kaiserlichen Verbotes die Stadt wieder neu aufbauten und befestigten, rissen die Kölner unter dem Schutz von Spinolas Truppen 1614/15 alle Neuanlagen wieder ab.

Dieses Köln, Colonia Agrippinensis Ubiorum, ist eine vortreffliche Stadt jenseits des Rheins.
Es führt seinen Namen von Agrippina, der Mutter Neros, die hier geboren wurde (vgl. Tacitus,
Buch 4, Kap. 11). Es gibt dort noch viele Erinnerungen an das alte Heidentum, so bei St. Gereon
den Venustempel, wo in einer runden Laube das Bild der nackten Venus liegt. Dann sieht man
dort auch die Kirche der hl. Ursula, voll von Reliquien der elftausend Jungfrauen; ferner uralte
Reste, aus denen man die Begräbnissitten der Heiden erkennen kann, einen Friedhof voll mit
altem Gebein; das von den Heiden erbaute Kapitol, das heute eine der allerseligsten Jungfrau
geweihte Kirche ist; schließlich die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die im Hohen Dom
ruhen. Ich nahm Wohnung im „Kaiser" auf dem Heumarkt an der Ecke der Ghirsgasse, wo es
nach Klein St. Martin geht41. Das Rathaus dort ist prächtig. Es birgt eine Sammlung alter
römischer Waffen. Dann zieren die Stadt unzählige Kirchen, ein wohlausgerüstetes Zeughaus,
schöne Promenaden in schattenreichen Tälern, liebliche Mädchen und schließlich 13 glänzende
Gildehäuser, gemeinhin Gaffeln genannt.

41 Also ganz in der Nähe der Häuser Piel und Freyaldenhoven. Die Giersgasse heißt heute Geyergasse

Nach Beendigung unserer Reise widmete ich mich dem Treutler. Mein Gerhard kam auf die
Syntax, in der er wegen seiner großen Jugend sitzen blieb, und der Kleine auf die Infima.
Damals weilte ein Maler im Hause und malte meinen Herrn und die Herrin. Er hat auch mich
zweimal gemalt, in kleiner und in großer Figur; dafür habe ich 4 Reichstaler bezahlt.
Zu eben dieser Zeit kehrte Herr Frialdenhof von der Frankfurter Messe zurück. Er brachte mir
ein neues, von Godofred herausgegebenes Corpus Juris Civilis mit, das 1 Dukaten kostete. Zu
Neujahr 1623 schenkte mir Herr Piel einen Engelotten, den ich in Gerhards Schatulle legte,
worin ich auch mein anderes Geld aufbewahrte, etwa 14 alte Reichsgulden und 4 kleinere
Goldmünzen, die ich von meiner Mutter, den Geschwistern und den Herrschaften geschenkt
bekommen hatte. Darin lag auch mein kleines Bildnis. Ferner schenkte er mir ein Paar
geflochtener Stiefel und Satinschuhe [?]. Herr Frialdenhoven schenkte mir den Jaso „Über die
Prozesse" in Folio und Herr Bachhausen, dessen Sohn häufig mit Hans Jürgen zum Unterricht
gekommen war, einen holländischen Gulden.
Meine französische Reise mit den adligen und hoffnungsvollen Jünglingen und Herren Johann und Johann Georg von Berg, Herren von Berg und Betzdorf etc. und mit Gerhard Piel, dem Sohn des edlen Herrn
Gerhard Piel, meines gnädigen Herrn und unvergeßlichen Mäcens.

Zu schauen die vielen Länder
Und die Wege der Welt zu wandern,
Liegt uns im Blute; so will es Gott;
Leite uns Christus auf allen Wegen.
Dazu geboren, die Musen zu suchen,
Wenn ich die Heimat verlasse;
Stehe mir bei, Maria, Dir folge ich gern
Durch alle Gaue der Erde.
Chronogramm seit Christi Geburt:


Zwei mal sechs wogende Jahre ertrug das Land den Mars,
 Als ich aufbrach zu schaun die bourbonische Herrschaft42.
Als ich die Magisterwürde schon errungen und zum zweiten Male die Rechtsgelahrtheit bei
Herrn Lic. Anton Fabens und den Treutler bei Herrn Johann Kranen gehört hatte, bestimmte es
mir die göttliche Vorsehung, noch andere Länder kennen zu lernen. Am 23. Februar 1623, am
Vortage des hl. Apostels Matthias, glaubte ich im Traume die Weisung erhalten zu haben, die
edle Frau von Berg43 in der Breitenstraße aufzusuchen. Ihre Söhne standen im Begriff, nach
Frankreich abzureisen. Am Tage des hl. Matthias ging ich zunächst in die hl. Messe und
empfahl mein Anliegen den himmlischen Mächten. Dann machte ich mich auf und trug der
Dame meineWünsche vor. Sie dankte mir für die angebotenen Dienste und sagte, sie hätte mich
gerne genommen, wenn ihr Vater, der Ratsherr Bolandt44 nicht vor 7 Stunden schon jemand
anders fest verpflichtet hätte. Ich entschuldigte mich und ging nach Hause, wo ich Herrn Piel
alles auseinandersetzte. Der ließ mich indeß nur ungern von dannen ziehen. Schließlich setzte
er seinen Wunsch, mich noch länger zu behalten, meinem Nutzen hintan. Gleich den folgenden
Tag suchte er mit mir den Ratsherrn auf. Nachdem er ihm und seiner Tochter meine
Verhältnisse, Lebensumstände und Sitten geschildert hatte, rief er mich herein und erließ mir in
ihrer Gegenwart die 82 Stücke von Sous [?], die ich ihm schuldete, wegen meiner treuen
Dienste und der sorgfältigen Erziehung seiner Söhne. Mit der Antwort, daß sie sich die Sache
noch überlegen wollten und ich am nächsten Tage Bescheid bekommen sollte, ging ich nach
Haus. Am folgenden Tage schickte mir der Ratsherr seinen Schreiber Heinrich, ich sollte mich
in fünf Tagen zum gemeinsamen Aufbruch bereit halten, und lud mich zum Frühstück ein.
Dabei wurde ich nach Empfang einer spanischen Pistole angestellt und mit der Betreuung
seiner Söhne beauftragt. Zugleich vertraute mir auch Herr Piel seinen Sohn an und schenkte mir
zum Zeichen seiner Zuneigung einen Engelotten. Daraufhin ließ ich mir französische Kleider
und einenMantel aus englischem Stoff, die Elle zu 3 Reichstalern, machen, die mich zusammen
52 Reichstaler kosteten und die mir Schneidermeister Peter Vincenz in der Trankgasse zu Köln
anfertigte.

Am 13. März fuhren wir zu Schiff in Begleitung von Herrn Piel und Herrn Eberhard
Frialdenhoven von Köln nach Bonn, wo wir von dem Wirt „In der Blomen" gut zur Nacht
beherbergt wurden45. Am folgenden Tage nahmen wir von den genannten Herren Abschied und
reisten mit dem gleichen Schiff weiter bis Andernach, wo wir im Gasthof zum „Hirschgeweih"
vorzüglich übernachteten. Am nächsten Tage gelangten wir nach Koblenz, daselbst uns ein
Verwandter des Herrn Burläus auf das köstlichste bewirtete. Nachdem wir das hervorragend
befestigte Kastell Hermenstein [= Ehrenbreitstein] des Bischofs von Trier besichtigt hatten,
kamen wir zum „Haetzpoell" [= Hatzenport], wo wir bei einem guten Greis, genannt Claeus,
übernachteten. Wir frühstückten in Poemmen [Pommern], übernachteten in Uberenst [Ernst]
und brachten den Mittag in Bilstein [Beilstein] zu, einer starken Burg, die damals von einer spanischen Abteilung besetzt gehalten wurde.

42 Die großen Buchstaben beider lateinischer Verse ergeben die Jahreszahl 1623. was auch mit späterer Schrift dahinter
geschrieben ist.
43 Catharina, Tochter des nachgenannten v. Bauland, war verheiratet mit Johann Nicasins von Berg und hatte 7 Kinder. Sie ist an der mittleren Mosel reich begütert gewesen, wie aus Nachfolgendem hervorgeht.
44 Johann v. Bolandt, genannt Monimet, starb 1645 im Alter von 83 Jahren. Von 1603 ab war er Bürgermeister, 1628 geadelt. Sein Bildnis im Haus der Rheinischen Heimat. Er war verheiratet 1) mit Elisabeth Mendes, 2) mit Susanne Charles aus Amsterdam.
45 Das Gasthaus besteht noch am Markt in Bonn, gleich links neben dem Rathaus. Der Besitzer war 1635 Valentin Kurtzrock.

 Der 18. brachte uns bis Zell, wo ein Kirchlein auf hohem Berge liegt. Hier vermieteten uns
zwei Kölner Bürger Jan vanWhernn ein Boot, das von drei Leuten gezogen wurde. Wir kamen
vorbei an Trarbach, dessen Burg von Freischärlern besetzt gehalten wurde, speisten bei Maier
zu Kröv, frühstückten den nächsten Tag in Graach beim Winzer meiner gnädigen Frau von Berg
und waren zum Essen in Neumagen.
Ich übergehe die Unzahl von Dörfern, Burgen und Städten, zu beiden Seiten des Rheins und der
Mosel auf hohen Bergen gelegen, da sie aufzuzählen lästig wäre. Schließlich gelangten wir
gegen abend des 21. genannten Monats über Schweich und das Städtchen Pfalzel wohlbehalten
nach Trier, der ältesten Stadt, wo ebenso wie in Koblenz eine steinerne Brücke über die Mosel
führt. Wir erholten uns dort bis zum 24. beim Rentmeister meiner adligen Herrn, der uns
ehrenvoll bewirtete. Wir besichtigten das geräumige Noviziat der Jesuiten, in dem eine ganze
Anzahl meiner früheren Mitschüler weilten, dann den Ort, wo der Heilige Rock und das
Gewand der allerseligsten Jungfrau aufbewahrt werden, ferner den [1614 begonnenen] erst
kürzlich fertiggestellten Palast des Erzbischofs Lothar von Metternich [1599-1623], ein
altheidnisches Heiligtum, das römische Amphitheater, die Löwenhöhle, den kristallenen
Sauerbrunnen und das [1611-14 erbaute] Jesuitenkolleg, das noch prächtiger ist als das
Koblenzer, seine Bücherei, die Gebeine des hl.Matthias und ungezählte andere Reliquien, kurz,
wir erholten und unterhielten uns prächtig.
Endlich mieteten wir uns einen Wagen und reisten von Trier über Zinch [?] und Sierck, ein
liebliches Städtchen an der Mosel, die wir vorher beim Karthäuserkloster46 überquert hatten,
nach Diedenhofen, der uneinnehmbaren spanischen Festung. Hier mieteten wir uns wegen des
gefahrvollen Weges eine Schutztruppe. Tatsächlich sahen wir uns in Ückingen von 5 Reitern
belästigt und angegriffen. Und wir wären all unseres Geldes und unserer ganzen Habe beraubt
worden, wenn nicht unsere Schutztruppe tapfer Widerstand geleistet, sie zurückgeschlagen und
uns wohlbehalten über Mezier [= Maizieres] nach Metas [= Metz] gebracht hätte. Dort
entließen wir unseren Wagen, besichtigten die herrliche, mit großen Kosten erbaute Kirche und
in ihr die vielen Gebeine und Denkmäler der Heiligen, der fränkischen und austrasischen
Könige, ferner die beiden steinernen Brücken, die hier die Mosel überqueren, und die
unüberwindliche Zitadelle, die Karl V [1552] nicht erobern konnte. Dann verabschiedeten wir
uns von unserem Wirt, Msr. Charles Groenendael am Jakobsplatz, und fuhren mit dem Schiff
über Novian [= Novéant], einem sehr ausgedehnten Dorf, an der Steinbrücke und der sog.
Teufelsbrücke vorbei, wo Mansfeld im vorigen Jahre die Mosel überschritten hatte, um den in
Bergen op Zoom eingeschlossenen Holländern Hilfe zu bringen. Dann kamen wir zu unserem
Reiseziel, nach Mussipontum [= Pont à Mousson], wo wir endlich am 28. gesund und munter
und ohne Schaden nach Überwindung von allerhand Gefahren und Widerwärtigkeiten anlangten.
Wir nahmen sofort am gleichen Tage Wohnung bei Herrn Doctor Johann Hordal, alle
vier für 40 Reichstaler den Monat.
Meine beiden Adeligen ließen sich bei den Patres immatrikulieren und hörten eifrig Physik,
während Gerhard die Poetica besuchte47. Pont à Mousson ist ein sehr lieblicher, in zwei
Stadtteile getrennter Ort, die durch eine mächtige steinerne Brücke miteinander verbunden
sind, umgeben von hohen Bergen, die das Tal der Mosel lieblich einschließen. Fürwahr eine
Gegend reich an Pflanzen und Früchten aller Art, mit zahllosen Gärten und Wegen.

46 Bei Karthaus, südlich von Trier.
47 1572 hatten die Jesuiten eine berühmte Universität in Pont à Mousson gegründet, die 1786 nach Nancy verlegt wurde. Die alten Kolleggebäude stehen noch.

Man sieht dort die einst sehr feste Burg Mousson, die aber kürzlich zerstört worden ist.
Wir waren auch bei den englischen Benediktinern im Dorf Gardelaict [?], wo es die besten
Quellwasser von ganz Lothringen gibt. So schön die Gegend hier auch war, wir mußten sie gar
bald auf Befehl unserer Herrschaften wieder verlassen.

So schieden wir am 12. Juni von Pont à Mousson, nachdem wir Herrn Hordal 500 lothringische
Franken für die Unterkunft bezahlt hatten, und ritten alle vier zu Pferde weiter nach Nancy, der
mächtigsten Stadt und Festung des Herzogs. Dort angekommen, blieben wir im „Großen
Hirschen", der einem begüterten und entgegenkommenden Manne gehört. Von dort machten
wir zu Fuß eine fromme Pilgerfahrt nach St. Nicolas, um eine glückliche Vollendung unserer
Reise zu erflehen. Dort befindet sich eine sehr schöne Kirche, berühmt in aller Welt wegen der
großen Wunder, die dort geschehen. Ihre Wände sind behangen mit den Ketten der geheilten
Besessenen und mit Kriegsfahnen, kurz, die Kirche. ist angefüllt mit Schätzen aller Art und
beherbergt zudem noch einen Benediktinerkonvent48. Auf dem Rückwege besichtigten wir
noch den Friedhof an dem Flüßchen Meurthe, auf dem viele Deutsche und Brabanter vom
Heere Karls des Kühnen, des Beherrschers der 17 niederländischen Provinzen, begraben liegen.
Sein eigenes Grabdenkmal sahen wir in Nancy in der St. Georgskirche49, ebenso die Stelle, an
der er sich in den Fluß gleiten ließ und wegen der Schwere seiner Rüstung [1477] ertrank,
nachdem er in der Schlacht durch Renatus, Herzog von Lothringen, und die Schweizer
geschlagen worden war. Wir besahen dort auch das Schloß, den schönen Park, die Boulevards,
die Befestigungen, den Wohnraum des Herzogs, die neue und die alte Stadt, die beiden
Jesuitenkollegs, alle möglichen Klöster und die außerordentlich starke und prächtige, aus
Ziegeln erbaute Stadtmauer.

48 Die Stadt wurde 1636 durch die Schweden zerstört. die Kirche 1905(!) völlig ausgeraubt.
49 In Nancy gibt es noch eine Rue St. Georges, doch sind Kirche und Grabmal verschwunden.

Von dort reisten wir zu viert mit einem Diener zu Pferde durch einen langen Wald und über die
Berge. In der Nähe von Contreveille [= Gondreville] kamen wir über die Mosel und dann nach
Toul, wo es eine sehr schöne Kirche [die Kathedrale St. Etienne] gibt. Man zeigte uns dort die
Gebeine des hl. Gerhard, der auf dem Chor der Kirche begraben liegt, und die hölzerne Brücke
über die Mosel. Dann gings weiter über Voye [= Void], St. Aubin und am Feste unseres Herrn
nach Bar-le-Duc. Nachdem wir dann durch Laymont gekommen waren, reisten wir über das
Rote Haus, Lescep [= La Cheppe] und das Haus der Hoffnung. Und kamen endlich nach Reims,
wir müde und ermattet vom Reiten und unsere Gäule kaum noch im stand, uns zu tragen.
Der Herbergsvater "Zum Mühlrad" vor dem Portal von Notre Dame beherbergte uns sehr
freundlich. Darauf wohnten wir möbliert bei einem Priester namens Etienne Faschiot in der
Nähe der Porte de Lumière. Später waren wir 7½ Monate bei Herrn André Audrich bei Ste.
Margerite. Im gleichen Haus wohnte Frau de La Nouë, die einstmals mit dem Könige
zusammengelebt hatte und von dem sie noch jetzt alle Jahre eine hohe Pension bezog. Sie teilte
sie mit uns und verlebte alle Tage mit uns gemeinsam. Auf die Empfehlung der Herren kamen
wir dann aber bei einem Priester Quinart unter beim Kloster von Notre Dame für 800 Livres
und schließlich bei Herrn Berger, Salzkontrolleur, für 900 Livres im Vorort St. Denis.
Fürwahr, Reims ist die Hauptstadt der Champagne, von großer Ausdehnung, umgeben von
einem tiefen Graben und stark umwallt. Es liegt an einem schönen Fluß, der Vesle, sehr
geeignet, um darin zu schwimmen, wie ich während des Sommers feststellen und ausprobieren
konnte. Dann gibt es dort die schöne Kirche Notre Dame, eine der großartigsten der ganzen
Welt, reich an Reliquien aller Art.

Die berühmteste sieht man in einem Gewölbe, den mit Blut besprengten Stein, auf welchem
dem hl. Nicasius der Kopf abgeschlagen wurde von den Heiden, die dann von Aëtius, dem
 Feldherrn des großen Kaisers Julian, geschlagen und besiegt wurden.
 In der Nähe von Chalons sieht man noch die Heide [die „Katalaunischen Gefilde"], die
das Blut der 200 000 Männer trank, die in dieser Schlacht fielen50. Doch sahen wir auch den
Schrein mit den Gebeinen des hl. Remigius, der so von Gold und Edelsteinen glänzte, daß man
es kaum beschreiben kann. In der Abtei des genannten Heiligen besichtigten wir das heilige
Gefäß, das zur Weihe des ersten Königs Chlodwig vom Himmel durch eine Taube gebracht
wurde, auch dieses in Gold und Edelstein gefaßt51. Obgleich man aus ihm zur Weihe der
Könige von Frankreich jedesmal das heilige Öl entnimmt, wird es doch niemals weniger! Die
Kanoniker tragen im Winter einen schwarzen Mantel mit einer langen, über die Erde
schleifenden Schleppe von zwei Ellen Länge; im Sommer gehen sie wie die Domherren in
Köln.

50 Diese Darstellung ist nicht genau. Der hl. Nicasius wurde schon 407 von den Vandalen enthauptet. Aetius aber besiegte die
eingebrochenen Hunnen 451 auf den Katalaunischen Gefilden. Er war nicht der Feldherr Julians, sondern Valentinians III
(425-455). Natürlich ist auch die Zahl der Gefallenen weit übertrieben
51 Das Gefäß wurde in der französischen Revolution zerstört. 1825 wurde aber ein Bruchstück des alten Gefäßes für die
Salbung Karls X bei dein neuen Gefäß verwendet.

Am 12. Juli 1623 begleiteten wir zum Abschied die Herren Wendt, Plettenberg und Morrien52
zu Pferde bis Fismes, 6 Meilen Wegs von Reims entfernt. Auf dem Rückwege sahen wir einen
Stein mit den Abdrücken zweier Füße, wo St. Marcus wunderbarerweise vom Himmel
herabgestiegen war und hier zuerst den Erdboden mit den Füßen berührt hatte. Diejenigen, die
ein Beinleiden haben und voller Andacht ihre Füße daraufstellen, erhalten ihre Gesundheit
wieder. Mitten auf dem Chor von St. Pierre aux Nones [in Reims] ist ein hohes und reich
geschmücktes Grabmal errichtet für Maria Stuart, Königin von Frankreich und Schottland, die
auf Befehl von Elisabeth, der Königin von England [1587], enthauptet wurde53. In dieser Abtei
ist die Prinzessin Renée von Lothringen, Herzogin von Guise, [zur Zeit] Äbtissin. Vor der
Pforte de Ceres liegt die Stelle, wo der hl. Adalbert von den Heiden niedergemacht worden ist54.
Man hat dort jetzt ein Steinkreuz errichtet. Der Leichnam des Heiligen ist vor einigen Jahren
dem Erzherzog Albert nach Brabant geschickt worden. Am 9. September sahen wir Herrn Carl
Gonzaga, Herzog von Nevers, Gouverneur der Champagne, mit großem Gefolge. Den 21.
Dezember sahen wir nach dem Tode seines Vaters den jungen Herzog von Bouillon, den Herrn
von Sedan, einer schreckenerregenden dauerhaften Feste.

Am 8. Juli 1624 gaben wir vier zu Pferde unseren lieben Kommilitonen Msr. Hoechault,
gebürtig aus Horn in Holland, undMsr. Boechorst aus Groningen das Geleit. Am gleichen Tage
sahen wir den Napf des hl. Theodor, ganz aus Onyx, einem kostbaren Stein, den wir küßten.
Von dort besuchten wir auch das Schloß des Herrn Fiermy, genannt Baslieux, ein irdisches
Paradies und reizender Ort, den lieblichsten, den man in der ganzen Champagne finden kann.
Am 16. Juli sahen wir den Marquis de Syllery55, Ritter vom Königsorden, den Gerhard mit
deutschen Versen begrüßte und mit dem wir uns in unserer Muttersprache unterhielten.

52 Alle drei vom westfälischen Adel. Vgl. Georg Gier, Erziehung westfälischer Adliger im 18. Jahrh., Westfalen I. 103 ff.
53 Maria Stuart war zunächst in Peterborough, dann in Westminster beigesetzt. Es könnte sich nur um ein Denkmal gehandelt haben, das aber heute verschwunden ist. Mit den Herzögen von Guise war M. St. verwandt, da ihre Mutter eine Guise war.
54 Albert, Bischof von Lüttich, wurde 1192 in Reims ermordet. Seine Gebeine werden jetzt in Brüssel verehrt.
55 Vielleicht Herzog de Bully, bedeutender frz. Staatsmann, 1560-1641.

Man kann in der ganzen Champagne die Sitte beobachten, daß Mann oder Frau, wenn sie
verheiratet sind, sich wieder trennen können, nicht nur von der Gemeinschaft von Tisch und
Bett, sondern ebenso von jeglichen ehelichen Pflichten, sodaß es sogar gestattet ist, noch zu
Lebzeiten des anderen eine neue Ehe einzugehen. Als Grund genügt übler Geruch des Atems,
Impotenz u. dergl. mehr.
Die Häuser in Reims sind größtenteils in Ziegelsteinen erbaut und innen sehr hübsch mit
Stofftapeten bekleidet. Man ißt jeden Tag Pasteten, niemals aber gesalzenes Fleisch, abends
Braten und mittags Gekochtes. Die Frauen undMädchen sind sehr artig, hübsch und freundlich,
plaudern und schwätzen aber recht gern. Sie tragen Seidenkleider mit Besatz wie die Edelfrauen
in Deutschland, dazu Hauben mit Schleifen und lange Halskrausen.

Am 28. Juni, 1. und 2. Juli sahen wir in Reims in der Champagne Anna von Osterreich56,
Tochter des spanischen Königs Philipps III., Königin von Frankreich und Navarra, mit der
Herzogin von Guise, Prinzessin von Vendome, Prinzessin von Joinville und einem großen
Gefolge. Sie nahm Wohnung bei St. Peter aux Nones, bei Madame de Renée, Prinzessin von
Guise, Schwester des Herzogs [Karl] von Guise. Dieser wurde in Blois gefangen gehalten,
während sein Vater [Heinrich] und der Kardinal [Ludwig] dort [1588] getötet wurden zur Zeit
Heinrichs III [1574-89], Königs von Frankreich und Polen. Die Königin ist außerordentlich
schön, hat ein längliches Gesicht von zarter Rundung, strahlt von jugendlicher Anmut, freilich
mit der bekannten Habsburger Unterlippe. Ich hatte das Glück, sie achtmal zu sehen, und bitte
Gott, er möge ihr ein langes Leben verleihen, auch den ersehnten Thronfolger57 zum Troste des
Volkes und ein glückliches Regiment zur Zufriedenheit der ausländischen Staaten.

56 Anna von Österreich 1601-66, vermählt 1615 mit Ludwig XIII herrschte nach dessen Tode 1643 zus. mit Mazarin.
57 Sie gebar erst 1638 einen Sohn, den späteren Ludwig XIV.

In Reims gibt es eine Brüderschaft von 3-400 Personen, die alle schon einmal nach St. Jago di
Compostella in Spanien, etwa 330 Meilen von hier entfernt, gepilgert sind.Wenn in Frankreich
dieMänner ihre Frauen schlagen, dann verhauen sie ihnen den Allerwertesten. Denn sie werden
sich hüten, diesen vorzuzeigen, weil er dann entweder zu gestriemt oder zu geschwollen ist.

Am 24. August 1624 waren wir zusammen in Notre Dame de Liesse, einem sehr bekannten Ort
wegen der Wunder, welche die Pilger aller Länder dort durch die Verdienste der Gottesmutter
empfangen. Daselbst besichtigten wir auch das Schloß zu Marchais, bewundernswert wegen
seiner Schönheit, unvergleichlich wegen seiner Lieblichkeit. Es gehört dem Herzog von Guise.
Man zeigte uns alle Zimmer, Kapellen und Kammern, die Gartenanlagen und Vogelhecken,
kurz alles Sehenswerte und Bewunderungswürdige. Wir kamen auch an der Kirche des hl.
Markus vorbei und sahen dort seinen Reliquienschrein, bedeckt mit Edelsteinen, Gold und
Silber. Dorthin gehen die Könige von Frankreich nach der Krönungsfeier in Reims, um die
Gnade zu erbitten, die Kranken durch Handauflegen zu heilen. Sie sind die einzigen in der
ganzen Christenheit, welche diese Gnade erhalten haben. Dort überquerten wir den Fluß Eins
bei Bac [die Aisne bei Berry au Bac], der hier schiffbar ist. Die Kirche Notre Dame [zu Liesse]
liegt 10 Meilen von Reims entfernt in einem Flecken und ist in Form eines Kreuzes erbaut, im
Innern geschmückt mit silbernen Lampen und ungezählten silbernen Putten. Auf halber Höhe
hat sie eine Empore, ganz aus Marmor und vollendet kunstvoll. Das Bild der Muttergottes ist
schwarzbraun und vom Paradies einem Baron de Marchais, der in der Türkei gefangen lag,
überbracht worden. Dieser wurde von dem Bild aus der Gefangenschaft befreit und in einer
Nacht von der Türkei bis an diesen Ort, wo man jetzt dieses schöne Bild verehrt,
erübergeführt58. Hier wirkt die Muttergottes jetzt ungezählte Wunder und vermittelt den
gläubigen Pilgern beinahe unglaubliche Gnaden.

58 Eine andere Legende erzählt: Die Madonna half drei Edelherrn, die auf einem Kreuzzuge gefangen waren, 
die Tochter des Sultans zu bekehren und dadurch gerettet zu werden. Ludwig XIII und Anna von Österreich 
pilgerten oft nach Liesse, um einen Thronfolger zu erflehen.

Gegen Ende des Sommers 1624 erhob sich in Reims eine große Sterblichkeit und der Tod eilte
mit Windesschnelle durch die ganze Stadt. Kaum hatten wir um einen Geldwechsel nach Köln
geschrieben, um nach Paris flüchten zu können, als auch schon Herr Johann am 11. September
an der Ruhr erkrankte. Sie machte ihn für mehr als drei Monate bettlägerig und brachte ihn an
den Rand des Todes. Schließlich aber verlieh ihm Gottes Güte und die verständige Behandlung
der Ärzte, Apotheker und Chirurgen langsam wieder seine frühere Gesundheit. Am 23. des
genannten Monats wurde Herr Gerhard von der gleichen Krankheit befallen, die ihn 15 bis 18
Tage im Bett hielt. Für ihn war sie weit gefährlicher, da er jünger an Jahren und schwächer an
Kräften war, um diese schrecklichen Dinge zu überwinden. Aber Gott, der ihn barmherzigen
Auges betrachtete, nahm sich seiner an und verhalf ihm wieder zu einer guten Gesundheit. Ich
dachte schon alle Schwierigkeiten überwunden zu haben, als auch noch Herr Johann Georg am
1. Oktober von einem unbegreiflichen Wüten in seinem Leibe befallen wurde. Es ergriff ihn
ganz und gar, sodaß wir den Beistand der Ärzte und die Einführung von Klistieren erbitten
mußten. Und obwohl infolge ständigen Erbrechens sein Magen verdorben und sein Appetit
verloren war, ja sogar sein Herz plötzlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, so entriß ihn doch
die gnädige Güte immer wieder den Klauen des Todes und führte ihn auf den früheren Stand
seines Wohlbefindens zurück. Es war mir unmöglich, mich so sorgfältig zu hüten, daß nicht
auch ich von den Angriffen des Fiebers und den Qualen der heißenWallungen ergriffen worden
wäre, da ich ja Tag und Nacht, wann nur immer möglich, ihnen beistand.Während jedesmal der
göttliche Beistand half, habe ich wacker den häufig wiederholten Aderlässen standgehalten. Bis
zum 19. November, als ich in Angers im Anjou ankam, war ich derartig durch die scheußliche
Darmkrankheit angegriffen, daß ich noch 14 Tage Bett und Zimmer gehütet habe, alle
Augenblicke Salze und alle möglichen Medikamente zu mir nahm und meinen ganzen Körper
einrieb. Mit Gottes und seiner gebenedeiten Mutter Hilfe fand ich mich endlich in einen
trefflichen Gesundheitszustand zurückversetzt und bitte Gott, daß er uns alle zur Ehre seiner
göttlichen Majestät darin erhält.
In Reims gibt man dem Arzt für einen Besuch 6 oder 7 Sols oder schließlich bezahlt man ihn
nach seinem Verdienst. In Paris gibt man 1 Cardescu, in Angers zwischen 11 und 16 Sols. Um
sich zu Hause einen Aderlaß machen zu lassen, 9 Sols, zum Haarschneiden 4 Sols. Mit den
Apothekern muß man handeln so gut man kann.
Alles in allem, die Ruhr — in der Champagne „le va test" oder „la coulisse", im Anjou „la
caxangue" genannt — sie ist eine scheußliche, niederschmetternde, schier unerträgliche
Krankheit. Sie beschmutzet die Betten, treibt unaufhörlich das Blut hervor, zerschneidet die
Därme und, wenn man ihr nicht mit Hilfe von Clistieren, Heiltränken und anderen
Medikamenten entgegentritt, so läuft man Gefahr, das Leben zu verlieren.
Anweisung dafür, wie man sich auf Reisen davon befreien kann, von den Unsitten der
Franzosen geplagt zu werden.

Nach der Ankunft im Gasthaus geht ein Stück Fleisch oder Gekochtes kaufen mit einer Suppe
oder Geröstetem, setzt euch abseits mit einem Viertel Wein und eßt ganz allein zu Mittag oder
zu Abend, wenn keine anderen Deutschen in eurer Gesellschaft sind. Andernfalls, wenn Ihr
zusammen mit Franzosen eßt, werden sie euch das Doppelte bezahlen lassen, wenn ihr nicht
aufpaßt, oder sie bezahlen das Einfache. Schlafet niemals, wenn ihr nicht euern Mantelsack
unter dem Kopf und den Degen im Bettwinkel habt. Eßt nie, ohne sie zu beobachten, nachdem
ihr euch ganz in euren Mantel eingewickelt habt. Aus Angst, die französische Krankheit zu
bekommen, sollt ihr nie die Kleider ausziehen mit Ausnahme des Wamses, weil man nur sehr
selten reine Laken bekommt. Seid in jeder Hinsicht höflich im Gespräch mit den Franzosen, um
so euch ihre Art zu sprechen, zu leben und mit der Welt zu verkehren anzueignen.

Die Reise mit der Kutsche von Reims nach Paris.
Am 27. Oktober [1624] kam Msr. Jean Jentis in Reims an und bot uns eine günstige
Gelegenheit. Da ich sah, daß meine Schüler wieder genügend gekräftigt und mit aller Welt
zufrieden waren, setzte ich mich mit ihnen in den Reisewagen. Dem Kutscher Nolin zahlten wir
jeder 4 Pfd. 10 Sols und für die Beförderung unseres Gepäcks noch 1 Sols. Das war am Feste
Simon und Juda [28. X.]. Mittags aßen wir in Fismes, einer kleinen, aber mit Mauern
umgebenen Stadt. Sie gehört dem Erzbischof von Reims, der jetzt Gabriel de St. Maria heißt
und Engländer ist. Des Abends waren wir in Gochy [?], einem sehr dürftigen Dorfe.
Am 29. sahen wir den Park des Herrn Connétable nahe bei Fère en Tardenois, der mit allen
möglichen wilden Tieren bevölkert ist und 6 Meilen Ausdehnung hat59. Dann aßen wir in der
Festung La Ferté [-Milon] im „Goldenen Löwen". Dort besichtigten wir das uneinnehmbare
Kastell der Engländer, die zu dieser Stunde auf Befehl des französischen Königs zerstört und
geschleift daliegt. Die Stärke dieser Anlagen nötigte uns hohe Bewunderung ab60.
Zu Abend aßen wir zu Nanteuil im „Weißen Kreuz". Hier wurde uns das Schloß des Grafen von
Schomberg, des Oberpräfekten der Finanzen, gezeigt. Es ist eine durch die Gebäude,
Blumenbeete, Alleen und tausend andere Kostbarkeiten einzigartige und erstaunliche Anlage.
Am 30. aßen wir mittags in Merlin [= Meri bei Mitry], einem kleinen erbärmlichen Dorf, in
dessen Nähe man eine Menge Landhäuser erblickt. Am Abend vollendeten wir unsere Reise
von 34Meilen und kamen sehr glücklich in Paris an.Wir nahmen zusammen mit Herrn Jentis in
der Straße St. Martin bei Klein St. Martin Wohnung.
Am 31. besichtigten wir den Louvre, die Residenz des Königs, mit allen Gemächern, dem Bett
Ludwigs XIII. und den König selbst beim Mahle61. Nach dem Mahle berührte er die
skrofulösen Kranken und sprach jedesmal: „Tangit te Rex, Sanat te Christus". Von da gingen
wir zu den Louvregärten durch die große Galerie, besahen zuerst das Alte Palais mit den
antiken Bildwerken, die ganz wie auch der Fußboden aus Marmor bestehen. Als wir über den
Pont neuf gingen, betrachteten wir das Bronzedenkmal Heinrichs IV zu Pferde, ein
wohlgelungenes und sehr kunstvolles Werk, das der Königinmutter vom Großherzog von
Toskana zugeschickt war62. Auf derselben Brücke steht ein sehr kunstvoll hergestellter
Brunnen, genannt „Die Samariterin", der eine große Zahl kleiner Glocken und tausend andere
Spielereien erklingen läßt. Desgleichen besichtigten wir den Richtplatz, den Kerker, die
Bastille, die Kirche Notre Dame, ein ganz herrliches Bauwerk, und das steinerne Reiterbild
 Philipps des Schönen63.

59 Das Schloß, heute Ruine, im 16. Jh. durch J. Bullant für den Connétabel Montmorency erbaut.
60 Von Ludwig 11392 begonnen, von Heinrich IV 1594 zum Teil zerstört, stellt das Schloß noch heute eine eindrucksvolle Ruine dar.
61 Das Louvre hat eine verwickelte Baugeschichte, die im frühen Mittelalter beginnt und erst 1878 aufhört. 
Im Jahre von Georgs erstem Besuch 1624 hatte Ludwig XIII gerade damit begonnen, durch J. Lemercier
das alte Schloß auf das Vierfache vergrößern zu lassen.
62 Reste des 1792 zerstörten Denkmals heute im Louvre, ein neues Denkmal 1818 auf dem Pont neuf errichtet.
63 Das Standbild Philipps des Schönen und der vorgenannte Brunnen sind heute nicht mehr vorhanden.

 Dann kehrten wir rechtzeitig ins Logis zurück, da wir befürchten konnten, beraubt oder ermordet
zu werden. Anderntags betrachteten wir eingehend den großartigen Wohnsitz der Königinmutter,
 innen vergoldet und geschmückt mit tausend Figuren, mit ungezählten Gemächern, schönen und
weiten Gärten, hübschen Brunnen usf.64. Als wir wieder ins Louvre zurückgekehrt waren,
hatten wir die Ehre, die Königinmutter speisen zu sehen, in einem anderen Raume die
Schwester des Königs, gegenüber in einem weiteren Gemach die französische Königin und
wieder in einem vierten Zimmer den Bruder des Königs, den Herzog von Anjou, jeder für sich
allein.
Am Nachmittage wurden wir zu den Gärten der Tuilerien geführt, unvergleichlich in ihren
Beeten, Brunnen, Alleen und Galerien. Dort sahen wir in einem neu errichteten Gebäude einen
Löwen und eine Löwin, Leoparden, Bären, Wölfe und alle nur denkbaren wilden Tiere, so
erschrecklich, daß man schon Angst bekam, sie anzuschauen.
Am 2. November waren wir in St. Denis. Dort hat die Kirche vorne zwei hohe Türme mit
Glocken aus reinem Metall. Sie ist sehr groß und weitläufig und verschönt durch die
Grabstätten und Denkmäler der französischen Könige, die in großer Zahl mit Schreinen aus
Gold und Silber ausgestattet sind. Man zeigte uns dort im Gewölbe das Horn eines Einhorns
von 6½ Fuß Länge, die königlichen Gewänder, die Krone, das Zepter und die Hand der
Justitia65. Am 3. dieses Monats ritten wir nach St. Germain, einem allerliebsten Lustschloß,
einzig in seiner Schönheit und voller Überfluß in aller Art von Vergnügungen, wie man sie in
Frankreich liebt.

64 Die Königinmutter Maria deMedici.Witwe Heinrichs IV, die 1642 in Köln starb, hatte 1612 die Besitzung des Herzogs de Piney-Luxemburg erworben und dort durch S. de Brosse einen großen Neubau, das „Palais de Luxembourg" errichten lassen.
65 Die Schatzkammer von St. Denis besitzt nichts mehr von ihrem ehemaligen Reichtum.

Anweisung, wie man preiswert in Paris wirtschaften und leben kann.

Man nimmt ein möbliertes Zimmer zu täglich 2 oder 3 Sols, geht selbst zur Garküche, kauft ein
Stück [Fleisch] nach Belieben und den Wein in einer Kneipe. Das alles bringt der Laufbursche
hinter euch her in eure Bude, wo ihr den vereinbarten Preis bezahlt. Oder wenn ihr in einem
Gasthaus wohnt, kauft ihr von eurer Wirtin alles, was ihr zu Mittag oder Abend essen wollt,
bezahlt das Schlafen oder Abendbrot täglich und eßt mittags in den Kneipen. In den
Gasthäusern gibt man für das Mittagessen 16 Sols, für Abendessen, Schlafen und Frühstück am
nächstenMorgen 20 oder 24 Sols, je nachdem ob man so vielWein eingeschenkt bekommt, wie
man nur trinken kann.
Paris ist fürwahr die Hauptstadt des Königreiches Frankreich, die volkreichste Stadt der Welt,
die größte in ganz Europa. Sie ist in drei Stadtteile eingeteilt, nämlich die Cité, die eigentliche
Stadt und die Universität. Auf der Cité besichtigten wir die Sainte Chapelle und alle Reliquien,
die Ludwig der Fromme übers Meer hierher gebracht hatte. Da wurde uns wohlgemerkt noch
gezeigt die Dornenkrone unseres Herrn, der Schwamm, ein großes Stück des echten Kreuzes,
die eiserne Lanzenspitze des Longinus, der Purpurmantel, der Stab Mosis, alles sehr prächtig in
Gold und Silber eingefaßt. Ich habe in Paris gezählt 24 Pfarreien, 10 Priorate und eine große
Menge von Klöstern der Feuillantiner, Celestiner, Kapuziner usw., von Hospitälern und
Damenstiften, von Brücken, Toren, Brunnen, Adelshöfen und tausend andere Dinge in großer
Zahl. Kurzum, Paris ist das Schutzdach und die Schädeldecke der ganzenWelt. Lieber schweigt
man, als daß man zu wenig sagt.

Die Reise von Paris nach Orléans.
Als wir nun alle Merkwürdigkeiten und jede Art von Handelsware in Paris kennengelernt und
unsere Stiefel mit dem schwarzen Gassenkot genügend bespritzt hatten, setzten wir uns in Fahrt
mit der Kutsche, die nahe der Kirche St.Merry im „GoldenenWagen" untergestellt ist. Sie fährt
jeden Tag ohne Ausnahme von Paris ab. Man gibt für die Person 3 Pfund 15 Sols und für jedes
Pfund Gepäck 1 Sols.
Am 4. November kamen wir gegen Mittag nach Bourg-la-Reine und abends nach Chastre [?]
ins „Weiße Kreuz". DasMittagessen kostet gewöhnlich 16 und das Abendessen 20 Sols. Den 5.
aßen wir bei den „Drei Mohren" in Etampes Mittag, in einer befestigten Stadt, abends in
Angerville. Am 6. waren wir mittags im „Löwen" zu Artenay, wo man die besten Messer von
Frankreich herstellt. Dann fuhren wir durch den großen Wald von Orléans, der 34 Meilen von
Paris mit einer bis auf 3 oder 4 Meilen durchgeführten Pflasterstraße versehen ist. Hier sahen
wir einige alte und geschleifte Festungen der Engländer.
Orléans, wo wir abends ankamen, ist eine schöne Stadt, reich und fruchtbar an Korn und Wein,
und liegt an der Loire. Wir logierten im „Goldenen Wagen" nahe am Markt. Am nächsten Tag
besichtigten wir die Universität und die Jesuitenschulen. Alle, die mit ihren Schreibmappen
ankommen, um Jura zu studieren, sind gehalten, sogleich eine Mahlzeit für alle ihre Landsleute
mit ihren Lehrern und für andere Professoren zu geben. Auf der Brücke besahen wir das
Bronzebild der Jungfrau von Orléans, Jeanne d'Arc, mit Karl VII. vor dem Gekreuzigten. Sie
vertrieb [1429] nämlich vor dieser Stadt die Engländer, ja, sie jagte sie sogar aus dem
Königreich hinaus. Die Fremden genießen große Vorrechte. Es gibt hier königliche und
päpstliche Aufsichtsbeamte. Man hat freie Benutzung der berühmten Bibliothek, wenn man
seinen Namen in das Buch der Nation einschreibt, was 1 Escu oder Reichstaler kostet66.
Am 8. machten wir eine Pilgerfahrt nach Unserer Frau zu Clery, nahe bei Orléans am Ufer der
Soloigne. Dort stand eine große schwere Kerze vor dem Bild der Muttergottes, das sich
wunderbarerweise dreht, sobald ein Mensch in Todesgefahr schwebt und das Gelübde macht,
nach seiner Genesung dorthin zu pilgern. Und es ist eine sichere Tatsache, daß die Nachbaren
das Geräusch hören, hinzueilen und wahrnehmen, wie das Bild sich ohne fremde Hilfe dreht. So
macht unser Herr aller Welt die Verdienste seiner heiligen und gebenedeiten Mutter durch
abertausend Wunder sichtbar, da er durch ihre Hilfe den armen bedrückten Pilgern beisteht.
Nach der Rückkehr zeigte man uns die die Stadt beherrschende Zitadelle und das mit allem
Notwendigen an gefüllte Arsenal; auch die große Zahl der Hauptkirchen und das großmächtige
Bauwerk der Kirche zum hl. Kreuz, vor deren Ruinen die Gottlosigkeit derer gebrandmarkt
wird, die sie ehedem während der Wirren der Protestanten zerstört haben67. Dann sahen wir
noch die prächtigen Promenaden über die Wälle und dazu die Bäume auf der Flußinsel.
Die Fahrt auf der Loire von der Stadt Orléans nach Angers im Anjou.

66 Die 1309 gegründete Universität war im Mittelalter von Deutschen und Holländern stark besucht, da die Studierenden der Natio germanica hier große Vorrechte besaßen. — Heute steht ein Reiterbild der Jeanne d'Arc von 1855 auf der Place de Martroi.
67 Orléans spielte während der Hugenottenkriege eine große Rolle. 1563 wurde Herzog Franz von Guise vor den Mauern der Stadt, die er belagerte, ermordet. 1567 zerstörten die Calvinisten die Kathedrale Ste-Croix, die ab 1601 wieder erneuert wurde.

Nach einem Aufenthalt von fast drei Tagen fuhren wir auf einem Schiff von Orléans ab. Man
gibt für die Person und das Gepäck den Schiffern je Tag einen halben Cardescu. Für die
Mittagszeit muß man sich das Essen mitbringen, weil man an keiner Stelle bis zum Abend hält.
Gegen Mittag fuhren wir durch die gefährliche Brücke von Beaujency, einer schönen, zum
Aufenthalt angenehmen Stadt, und zwar wegen der Jagd und des Schlosses, das ehedem gegen
die Engländer trefflich standgehalten hat. Am Abend waren wir zur rechten Zeit an der Brücke
von Blois. Dort zeigte man uns das schöne, starke Schloß68. Wegen des Todes der Prinzen von
Guise, die hier auf Befehl Heinrichs III. hingerichtet sind, ist es durch ganz Frankreich berühmt
[s. o.] geworden. Man ließ uns das Zimmer sehen, wo diese beiden großen Prinzen von Guise
grausam zu Tode gebracht wurden; weiter das Zimmer, in dem sich die Königin verborgen hatte
und aus dessen Fenster sie sich mit einem Strick herabließ69.

68 Der baulustige König Franz 1, 1515-47, der auch Teile des Louvre, Fontainebleau und das vorgenannte St. Germain
errichtet hatte, erbaute gleichfalls die beiden Leinschlösser Bleis und Amboise.
69 Katharina von Medici, die Gemahlin Heinrichs II, welche die Ermordung der Guises sehr mißbilligte, starb ein Jahr später, 1689, auf Schloß Blois.

 Dann die Gärten und all die anderen Merkwürdigkeiten, die Brunnen, Wasserleitungen und eine
Stelle, an der man häufig Terra sigillata von der gleichen Güte wie auf der Insel Lemnos findet.
 Wir schliefen im Vorort jenseits des Flusses im „Anker", wo wir für 20 s. die Person recht gut bewirtet wurden. Am 9. in der Frühe kamenMädchen, die auf Harfen,Mandolinen und anderen Instrumenten
 spielten, uns einen guten Tag wünschten und auf unserem Zimmer ein Ständchen brachten.
 Wir gaben ihnen dafür einen Escu d'or und den Schülerinnen für die Verse, die sie uns aufsagten,
 48 Sols. Um Mittag gelangten wir nach Amboise und betrachteten das starke wundervolle Schloß.
Hier sprachen wir den Marquis de la Vieu Ville, Oberpräfekten der Finanzen. Er war hier unter
scharfer Bewachung in Gefangenschaft gesetzt worden, weil er die Schatulle des Königs
beklaut hatte.Wir sahen dort auch das Tor der Galerie, wo Karl VIII. sich den Kopf stieß, als er
einer Schauspielertruppe zuschauen wollte, und anderen Tags [1498] daran starb. Am Abend
gegen 11 Uhr fuhren wir durch die Brücke von Tours. Diese ist nicht so gefahrvoll und schwer
zu durchfahren wie die von Amboise, wo wir Gefahr liefen, hinweggerissen zu werden und zu
ertrinken.

In Tours wohnten wir in der Vorstadt bei den „DreiMohren", dem Gasthaus der Deutschen. Am
anderen Morgen, am Vortage des hl. Martin, beschauten wir die Reliquien dieses Heiligen, der
hier ruht und von der ganzen Welt verehrt wird. In der Abtei von Marmoutier wurde uns die
Flasche gezeigt mit dem Öl, das dem hl. Martin durch einen Engel überbracht war. Dieses
wurde nach Chartres in die Kirche Notre Dame gebracht und mit dieser hl. Salbe ist [1593] der
König Heinrich IV. [ausnahmsweise] hier geweiht worden, weil Reims damals von der Partei
des Herzogs von Maine überwacht wurde. In der Kirche des hl. Gratian betrachteten wir die
Uhr, die im ganzen Königreich als die vielleicht kunstvollste hergestellt worden ist. Wir sahen
auch das Schloß und hoch oben an einem der Türme das Fenster, aus dem der Herzog von Guise
entflohen war70. Man hielt ihn hier während der Wirren der Liga gefangen und ich sah ihn noch
lebend in St. Germain. Dann sahen wir noch die starken Mauern der Stadt, die hübschen
Brunnen und in der Nähe von Tours große Höhlen, in denen das Wasser unaufhörlich in den
Felsen sickert und auch in den heißesten Tagen des Sommers gefriert. Da haben wir also
unseren Wein gekühlt und sind dann wieder aufs Schiff gestiegen.

70 Karl Herzog von Guise wurde nach der Ermordung seines Vaters und Onkels zu Blois gefangen genommen und entfloh
1591 aus dem Schloß in Tours.

Im Vorbeifahren erblickten wir die Mündung des Flusses Cher, der von Bourg herkommt, um
sich in den Ozean zu ergießen, weiter bei Montsoreau die Mündung des Flusses Vienne, der an
Poitiers vorbeifließt. Nahe dabei steht ein hoher Turm, erbaut von den Engländern. Auf der
ganzen Länge des Flusses [Loire] sieht man Dörfer, die völlig zwischen den ausgewaschenen
Felsen liegen, wo dieMenschen ganz behaglich in den Höhlen und Grotten wohnen. Am Abend
gelangten wir nach Saumur in die „Galere", einen guten Gasthof.
Am Feste des hl. Martin [11. 11. 1624] waren wir zur Messe in der Kirche Notre Dame des
Ardilliers [in Saumur], in ganz Frankreich bekannt durch die Häufigkeit der Wunder, die Gott
dort auf die Fürbitte seiner heiligen Mutter wirkt. Wir kauften hier Rosenkränze und
Silberkreuze. Darauf besuchten wir das starke und wegen seiner Bastionen gefürchtete Kastell,
das geradeso den Verkehr über die Brücke wie das Herandringen von der Landseite beherrscht.
Von da fuhren wir hinab bis Les Ponts-de-Cé, wo die Königinmutter der Armee des Königs die
Stirn bot, die vor der Brücke eingeschanzt war. Doch die Lage der Truppen der Königin wurde
immer schlechter, bis sie in die Flucht geschlagen wurden. Die meisten ertranken oder mußten
Spießruten laufen71. Hier wohnten wir im „Schwarzen Haupt", einem ordentlichen Gasthof,
doch teurer, als wir es auf der ganzen Reise gefunden hatten. Am 12. Tage des November
gingen wir zu Fuß bis Angers, das nur eine kleine Meile von hier entfernt liegt. Wir nahmen
dazu ein Pferd, das uns für 1 Cardescu das Gepäck trug. Unterwegs sahen wir das Schloß
Ponts-de-Cé, wo der König immer eine Besatzung unterhält.

Wir legten also von Reims bis Paris 33 Meilen zurück, von Paris bis Orléans 34, von hier bis
Blois 17, dann bis Tours 18, bis Saumur 17 und bis Angers 12. Das sind zusammen 131Meilen,
eine jede anderthalb Stunden Wegs.
Kurze und gedrängte Einteilung und Beschreibung Frankreichs.
Im Königreich Frankreich ist das Volk allezeit sehr katholisch und eifrig im Dienste Gottes
gewesen. Es gibt dort 17 Erzbistümer oder Metropolitankirchen, 115 Bischöfe, 132 000
Glockentürme oder Pfarreien und 3 500 000 Familien oder Häuser. Ein Dutzend Großvasallen,
ein Dutzend Steuerbezirke, 70 000 Lehnsgüter und Unterlehen. Und das gesamte Gebiet des
Königreichs wurde seit 1069 beherrscht von dem ersten Franzosenkönig Pharamond bis zu
Ludwig XIII., der jetzt glücklich als 63. König regiert.
Während des Aufenthalts in Angers machten wir ohne besondere Erlaubnis der kölner Herren
eine Reise nach La Rochelle, durch Languedoc, nach Bordeaux, Bearn, Navarra und Spanien
und von dort zu Schiff nach London in England. Darauf kehrten wir unter großer Lebensgefahr
durch dieWellen des Meeres über Nantes nach Angers zurück. Über diese Reise beschreibe ich
keine Einzelheiten. „In promptu causa est"72

Die Grabstätte des Herrn von Nordkirchen.
In Angers sah ich in der Kirche St. Peter gegenüber der Universität das Grab und Epitaph des
Herrn GerhardMorrien, des Erbmarschalls der DiözeseMünster inWestfalen, der dort im Jahre
1611 starb73.

71 Les Ponts-de-Cé liegt auf drei Loireinseln und ist durch mehrere Brücken mit den Ufern verbunden. Hier vermittelte 1620
Richelieu nach dem Treffen einen Frieden zwischen Ludwig XIII. und seiner Mutter Maria von Medici.
72 „Der Grund dafür liegt auf der Hand". Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Georg mit seinen Schülern eine so ausgedehnte
Reise damals unternommen hat, da er erst am 12. November in Angers eintraf und dort bereits Mitte Februar seinen Doktor
machte. Vgl. den übernächsten Absatz!
73 Ältester Sohn des 1607 auf dem Horsteberg in Münster erstochenen Erbmarschalls Gerhard Morden.

Unser Aufenthalt in Angers.
Nach der Ankunft in Angers nahmen wir einige Tage Quartier im „St. Julian", einer guten und
annehmbaren Herberge. Von dort zogen wir zu Msr. Charles le Bret im „Schwarzen Haupt",
Straße St. Aubin, für 5 Escus den Monat. Weil aber die Frau mehr durch Geiz als durch
Vernunft getrieben wurde, das Kostgeld zu erhöhen, zogen wir nach einem Monat um. So
nahmen wir jetzt für dasselbe Geld Wohnung bei Herrn Sursin, Doctor der Medizin und
Professor des Königs. Der wohnte vor St. Martin bei der Kunstschule. Da wurden wir außergewöhnlich
gut und zuvorkommend behandelt, bekamen immer sehr reichlich und blieben hier
vom 14. November [muß heißen: Dezember] 1624 bis zum 14. März des folgenden Jahres.
Dann wurden wir auf Geheiß meiner Dame und der Herren zurückgerufen, zum großen Leidwesen
unseres Wirtes und seiner Frau.

Die Kosten meiner Promotion.
Am sechsten der Iden des Februar 1625 wurde ich öffentlich zum Doctor beider Rechte ernannt.
Die Ausgaben waren diese:
Livres Sols
Um die Wappen der Herren Bolandt und Piel sauber stechen zu lassen 9
Für den Druck meiner Thesen in Kupferstich 11
Als Gebühren für die Doctoren und an die Universität 60
Für die Reinschrift meiner Doctorarbeit 1 12
Für den Einband der Arbeit 16
Für das Große Siegel der Universität in rotem Wachs 3 4
Für die Unterschrift von Msr. Du Chyron, Schreiber der Universität 4 16
Um 4 meiner Thesen mit rotem Kupfer einbinden und mit Bändern schmücken
zu lassen 4
Um alle Exemplare meiner Thesen mit Rotschnitt zu versehen 16
Summe 95 4
Das Festmahl, zu dem ich der Prüfungsordnung und der Sitte gemäß die ganze Universität
eingeladen hatte, kostete: 115 escus, 18 sols.

Unsere Rückkehr aus Frankreich nach Köln.
Den 15. März 1625 sind wir zu Pferde aus Angers fortgeritten. Jeder gab für das Pferd, für alle
Ausgaben und die ganze Verpflegung bis Paris 71 Escus und für die Beförderung des Gepäcks
11 Sols. An diesem 15. aßen wir zu Mittag in Huet [= Huille] in den „Drei Königen". Kurz vor
uns sahen wir Durtal, das dem Grafen von Schomberg gehört, dazu eine Brücke und einen sehr
schönen Garten. Hier fiel Johann Georg mit seinem Pferde in einen wassergefüllten Graben,
worin er eine Zeit lang ganz verschwunden war. Abends waren wir zu La Flèche bei „St.
Martin". Dort sahen wir das schönste Jesuitenkolleg Frankreichs74 und die große Zahl Schüler,
auch das Herz Heinrichs IV in einem goldenen Pokal, hoch über der rechten Seite des Altares.

74 Das Kolleg, heute Kadettenanstalt, wurde 1604 durch Heinrich IV gegründet. Zu seinen Schülern zählte auch Descartes.
75 Le Maus liegt vor Conneré. Auch der übrige Verlauf der Rückreise ist nicht ganz klar.

Am 16. aßen wir mittags zu Gessela [?] im „Grünen Kreuz", abends zu Connerré in der
„Zinnernen Schüssel". Am 17. kamen wir nach Le Mans75, einer starken, schönen
Bischofsstadt, auch zu dem prächtigen Schloß Montfort und dem großen Weiher hinter der
Feste. Dort haben wir zu Mittag gegessen bei Msr. Poullard, zu Abend zu Nogent [= Nogent-le
Rotrou] im „Schwarzen Haupt", wo Calvin [1534?] verprügelt und mit einer Lilienblüte
gebrandmarkt wurde. Den 18. speisten wir in Courville in der „Rettung", abends in Chartres im
„Roten Hut". Dort sahen wir die schönen Glocken, die herrliche Kirche Notre Dame und eine
unterirdische Kapelle, die 500 Jahre vor der Geburt unseres Herrn von den Heiden einer
Jungfrau geweiht worden war. Sie sollte ein Kind gebären, indem sie immer unberührt blieb.
Den 19. aßen wir zu Lorray [?] bei „St. Jakob" und sahen im Vorbeireiten Schloß und Stadt
L'Oignon [?] wo Herr de Guise unter der Anführung von Bipontin einer großen Zahl deutscher
Reiter Trotz bot. Dann kamen wir durch die Städte Epernon und St. Arnoult, wo man die besten
Seidenstrümpfe macht, und durch Ablis, wo die Einwohner zum Frühstück roten Fisch essen,
der wie Lachs aussieht. Wir sahen auch das schöne Haus des Msr. de Montbazon in Rochefort,
dessen Schloß durch Heinrich IV zerstört worden war. Abends aßen wir zu Tonelle [= Bonelle]
im „Weißen Kreuz". Am 20. kamen wir in Paris an, gaben unsere Pferde in „St. Eustache"
zurück, nahmen Wohnung in „Klein St. Martin" und zahlten dort jeden Tag 5 Livres für uns
vier.

Unser Aufenthalt in Paris.
Wir blieben in Paris bis Montag nach Ostern. Ich besorgte gleich für meine drei Schüler eine
Wohnung für 278 Livres und 18 Sols. Den 24. sind wir nach St. Denis gewandert, wo man uns
alle Gräber der französischen Könige zeigte, von Franz dem Heiligen, Karl dem Kahlen und 44
anderen Königen; weiter ein Einhorn, bis zur Spitze 6½ Fuß lang, zwei Zähne eines jungen
Elephanten, die Laterne des Malchus, mit Kristall versehen; die Gebeine Ludwigs des Heiligen
in goldenem Schrein auf dem Altar; einen Nagel, mit dem unser Herr ans Kreuz genagelt
wurde; den Arm des hl. Simeon, der unserem Herrn half; die Haut des Leprosen, der gesehen
hat, daß unser Herr St. Denis geweiht hat; eine Büchse aus Porphyr, die Dagobert von Poitiers
herbeigebracht hat; die schönen Meßgewänder der Valois; die Lampe des Connétabel; eine
Greifenklaue, gefaßt in Silber; einen Finger des hl. Bartholomäus; einen Eisenstab vom Roste
des hl. Laurentius; die Kronen von Ludwig dem Heiligen, Heinrich IV und Ludwig XIII, sein
Szepter, Krönungsmantel, Sporen, Stiefel,Mantelschließe, Degen,Waffen und sein Banner; die
Hand der Justitia und die anderen Schmucksachen, die Ludwig XIII bei seiner Weihe in Reims
getragen hat; ferner einen Krug von Kanaan in Galiläa; den Napf von Ludwig dem Heiligen aus
Tamariskenholz; das Schulterblatt vom hl. Johannes dem Täufer; die Haare unserer lieben Frau,
geborgen in einer Lilienblüte; das Horn Rolands, das er blies, als er von Gontard auf der
Rückkehr aus Spanien verraten wurde; das Haupt des hl. Hilarius; die Leinentücher, mit denen
unser Herr umwunden worden ist; die Hand des hl. Thomas, mit der er die Seite unseres Herrn
berührt hat; das Haupt des hl. Benedikt; den Reliquienschrein aus dem Gemach Karls des
Großen, worin sich Teile von allen Reliquien befinden, die in der Ste. Chapelle sind; ein großes
Stück des echten Kreuzes; den echten Degen der Jeanne d'Arc, der Jungfrau von Orléans; den
Degen von Ludwig dem Heiligen, den er jenseits des Meeres trug; den Kelch des hl. Dionysius,
sein Schreibzeug, ein Onyx, ein Chrysolith, ein Jaspis, ein Porphyr, ein Achat, die auf
mancherlei kunstreiche Art geschnitten waren; die Statue von Heinrich IV mit Waffen und
Heim; einen Spiegel des Weibes des Herodes. Bei den Jakobinern in Paris sahen wir das
Schwert des hl. Petrus, mit dem er dem Malchus das Ohr abhieb.
Am 25. sahen wir den König, seineMutter, seinen Bruder und seine Schwester [Henriette], jetzt
Königin von England, und die regierende Königin, die alle allein speisten.

Unsere Reise von Paris nach Metz.
Am 31. März verließen wir Paris mit der Kutsche. Wir gaben dem Kutscher, der im „Cardinal",
Martinstraße zu Paris wohnte, für jeden 12 Livres und für die Beförderung des Gepäcks 2 Sols.
Nach dieser Abmachung speisten wir in Mitry bei „St. Martin" zu Mittag und zu Abend. Den 1.
April aßen wir zu Meaux in der „Dreifaltigkeit", nachdem wir bei Dispoli76 die Marne
überquert hatten. Wir sahen Moncourt, Montereau, wo der Herzog von Burgund getötet war77,
wir sahen die Gruben von Meulets [?], La Ferté sous Jouarre und aßen zu Prussy Bussières] in
der „Lilie" zu Abend. Am 2. aßen wir zu Montmirail im „Wappen von Frankreich" und abends
zu Estasse [= Etoge] im „St. Nikolaus". Am 3. waren wir mittags in Mohn [?] und abends zu
Chalons im „Wappen von Frankreich". Am 4. mittags zu Potouille [?] und abends im „Roten
Haus". Am 5. mittags zu Nettancourt und abends zu Bar-le-Duc bei „Stuhlmacher" („a chaireurs").
Am6. mittags zu Villotte und abends zu St.Mihiel, wo wir über dieMaas fuhren. Am7.
waren wir mittags in Aprémont in Lothringen im „Weißen Kreuz" und abends zu du Loire [=
Dieulouard] im „Weißen Kreuz". Am 8. mittags zu Pont à Mousson im „Hirschgeweih" und
abends zu Corville [= Corny] in der „Post". Den 9. waren wir mittags in Metz und sind an
Diedenhoven vorbeigefahren. Zu Abend waren wir in Dettenhoven [= Kattenhofen], wo wir ein
schlechtes Schiff verließen. Am 10. November kamen wir über Sierck, Remich und Macheren
[= Grevenmacher] nach Trier, wo wir bis zum 3. Tage blieben und durch Herrn Kratz von
Scharffenstein78 und den Herrn Pastor von St. Gangolf bewirtet wurden.

76 Wahrscheinlich bei Talport.
77 Hier wird das westlich von Trilport gelegene Monceau mit dem ganz vomWege abliegenden Montereau am Einfluh der
Yonne in die Seine verwechselt, wo 1419 der Herzog Johann von Burgund von den Begleitern des Dauphins (Karl VII) getötet war.
78 Dompropst Cratz von Scharffenstein starb 15.6. 1625; sein Grabmal in der Liebfrauenkirche; vgl. lnv. X111, 3, S. 178.

Unsere Reise von Trier nach Köln.
Am 12. April bestiegen wir die erbärmliche und zu eilige, aber ganz sichere Bequemlichkeit
eines Schiffes nach Koblenz und aßen des Abends „auf der Alvenn" [= in Alf]. Am 13. speisten
wir mittags in Cochem und abends in Koblenz im „Goldenen Löwen". Am 14. waren wir
mittags in Linz und abends in Bonn. Hier trafen wir durch Zufall den Vater von Gerhard, Herrn
Piel, der nach Frankfurt wollte und mit dem wir dann gut zu Tische saßen. Am 15. kamen wir
zur rechten Zeit in Köln an. Dort lieferte ich meine drei Schüler wieder unter großer Freude und
Zufriedenheit an ihre Eltern ab.
Glücklich angekommen, habe ich bei meiner Herrin Frau von Berg bis zum 23. April gewohnt.
Dann gab sie mir für meine treuen Dienste 24 Reichstaler, Frau Piel anderthalb Rose noble und
Herr Bolandt der Bürgermeister 3 Goldgulden.
Meine Rückkehr nach Trier und die Verwaltung der Güter meiner Gebieterin.

Am 30. April bin ich im Auftrag von Frau von Berg zu Schiff nach Trier abgefahren. In
Koblenz verweilte ich bei Frau von Nesselrode in der Hoffnung, durch ihre Fürsprache bei Sr.
Gnaden [Kurfürst Philipp Christoph v. Soetern] von Trier den Rang eines Hofrates zu erlangen.
Aber die Zustände im Reiche und die Unruhen der sich von überall her nähernden Armeen
verhinderten diesmal, dies zu erreichen. Nach dem Abschied bin ich zu Schiff stromauf bis
Wehlen gefahren. Von da pilgerte ich zu Fuß zur [Eberhards] Klause, einem heiligen Ort, der
wegen seiner Wunder sehr bekannt ist. Kurz darauf wurde ich von 4 Soldaten angegriffen. Da
ich mit einem guten Degen und zwei trefflichen Pistolen bewaffnet war, blieb ich ungeschoren.
In Trier habe ich alsdann gewohnt bei Herrn Generalprofoß Hugo Craetz, der mich als Sekretär
angenommen hat. Als ich mich dort 4 Monate in aller Behaglichkeit aufgehalten hatte, rief Gott
diesen Herrn aus dieser Welt. Dadurch wurde ich sehr trüb gestimmt. Ich nahm mir eine
Köchin, die mir einen Monat lang in unserem Hause die Küche besorgte. Nachdem ich
unterdessen meine Geschäfte in Luxemburg, Heffingen, Betzdorf, Berg, Contz, Sierck, kurz in
Lothringen und im Lande Luxemburg besorgt hatte, nahm ich den jungen Herrn von Solandt,
der bei seiner Großmutter in Steinburg war, mit mir, um ihn bei seinem Großvater in Köln
abzuliefern. Ich begab mich mit ihm auf das Schiff von Hermann Brück, zusammen mit meinen
Büchern, Kleidern, meinem ganzen Gepäck und zwei Fässern guten Weins in der Absicht, die
Dienste bei meiner Herrin zu verlassen und meine Freunde, meine Heimat und meine Geliebte
„la rasine" wiederzusehen. Nachdem ich mich 14 Tage bei meiner Herrin aufgehalten und mir
für 10 Gulden meinen Doctorring erstanden hatte, bin ich mit meinem Gepäck auf dem Schiff
von Rotger Peper den Rhein hinab gefahren und kam in drei Tagen nach Wesel. Hier habe ich
einige Tage im Gasthaus „St. Peter" gewohnt, bis mir meine Mutter, die von meiner Ankunft
unterrichtet war, einen Wagen schickte, um mich und meine Sachen mit einem Geleit von 50
bewaffneten Mann durch die Nachstellungen des berüchtigten Räubers Siebendanz79 hindurch
zu befördern.

79 Über diesen gefährlichen Menschen vgl. B. Sökeland, Gesch. d. Stadt Coesfeld, Coesfeld 1839

Es war zu Borken der letzte August 1625, als ich noch dachte, nach meinen Wanderfahrten
meine Zeit in Ruhe zu verbringen und meinen von so vielen Reisen und Arbeiten
mitgenommenen und ermüdeten Körper zu pflegen, da schickte mir meine Herrin im Abstand
von zwei Tagen drei Briefe und viertens noch einen Eilboten mit Briefen, die meine Rückkehr
aufs möglichste zu beschleunigen forderten. Mit Rücksicht auf die Verdienste, durch die ich
meiner Herrin ergeben war, und auf die Versprechen hin, durch die sie mich beim hl. Remigius
verpflichtet hatte, verließ ich gegen 7 Uhr abends meine Heimat auf einem Pferde, das Stephan
zur Weye gehörte. Er selbst führte uns mit unserem Knecht Jobst Docken mitten durch die
Mansfeldischen Räuber, die damals bei Anholt lagerten, um sich mit der dänischen Armee zu
vereinigen.Während dieser Nacht legte ich eine solche StreckeWeges zurück, daß ich mich bei
Tagesanbruch vor den Toren Wesels befand. Immer hatte ich die Trennung von meiner Frau
Mutter, meinen Brüdern und allen Freunden vor Augen. Am gleichen Tage begab ich mich auf
das Schiff, das einer Frau Agnes gehörte. Ich fuhr an Rheinberg vorbei und an Orsoy, wo wir
zwei Tage aufgehalten wurden aus Furcht vor Strolchen [„crabats"=Kroaten?], die trotz der
Bauern und der Garnison von Mörs in Menge bei Ruhrort über den Rhein kamen. Endlich nach
9 Tagen kamen wir in Niehl an, wo ich das Schiff verließ, um zu Fuß die Stadt [Köln] zu
erreichen.
Als ich das mit großer Anstrengung geschafft hatte, fand ich meine Herrin und alle Bekannten
sehr erleichtert über meine Ankunft vor. Aber da die Zeit der Weinlese schon weit
vorgeschritten war, wurde ich genötigt, am dritten Tage mit Herrn Johann abzureisen. Hierfür
hatte man uns zwei Pferde gekauft. Meinen schwarzen Mantel, der mich 64 Gulden gekostet
hatte und der in großer Eile von unserm Diener in Köln angefertigt war, steckten wir mit Herrn
Johanns Gewändern und meinen Trauerkleidern in unseren Koffer, um den Rhein bergauf zu
fahren. Wir beide aber ritten ganz allein und wacker über Wesseling, Bonn, Oberwinter,
Andernach, Oigne [Einig?], Münstermayfeld, Cochem, Enkirch und Trarbach nach Graach, wo
ich Herrn Johann zur achttägigen Weinlese zurückließ. Ich selbst zog gleich weiter nach
Wintrich, um unseren Zehnten einzutreiben. Von dort gings über Kesten, Clausen, Schweich
und Pfalzel nach Trier, einer Stadt in schöner Ausdehnung, in einer sehr lieblichen Ebene und
zwischen hohen Bergen. Sie erheben sich über der berühmten Mosel, deren Ursprung und
Quelle ich auf den Vogesen in Lothringen sah80. Es gibt keine Stadt, die mit dem Blute so vieler
Märtyrer benetzt wäre, die so reich ist an ungezählten Reliquien, so standhaft in der Religion, so
schön durch ihre sakralen und profanen Gebäude und so alten Ursprungs. Also ist es zu lesen
am Gewölbe von St. Simeon in diesen Versen:

Ante stetit Romam Trevir annis mille trecerstis.
„Dausent dreyhondert Jhaer voir Rhom
Ist gewaskenn diese staedt unnd der Dhoem"81.

80 Er meint wohl den Oberlauf der Mosel. Denn ob er ihre Quelle sah, ist nach seinen Reisebeschreibungen sehr
unwahrscheinlich
81 Die Kirche St. Simeon war in der Porta Nigra eingebaut und wurde von Napoleon I wieder daraus entfernt. Der lateinische Vers kommt schon in alten Chroniken vor und steht heute am „Roten Haus" am Markt in Trier

Herr Johann traf nach 14 Tagen zu Pferde bei mir ein. Gleich darauf gingen wir daran, mit allen
Mitteln unsere Geschäfte in Luxemburg, in Lothringen und Trier zu beschleunigtem Abschluß
zu bringen, bis Herr Johann durch meine Herrin, seine Mutter, zurückgerufen wurde. Am 17.
Januar 1626 reiste er auf seinem Rosse zusammen mit Herrn Hane zurück nach Köln, wo er
glücklich am Tage der hl. Agnes zur großen Zufriedenheit und Freude meiner Herrin, seines
Großvaters und aller seiner Freunde ankam. Mich ließ man noch einige Zeit in Trier, um die
Geschäfte ganz abzuwickeln. In dieser Zeit verhandelte ich in Speyer und in Luxemburg und
bemühte mich, die Sitten und die Rechtsgeschäfte der Länder zu erlernen. Ich verfaßte
Schriftsätze auf Befehl Sr. Hoheit in Sachen des Herrn Bischofs von Speyer zu Speyer. Daher
empfing er mich auch wie einen Hofrat, dessen Rang ich erhalten hätte, wenn nicht das
Geschick und die Vorsehung mich in mein Heimatland zurückgeführt hätten.
Fortsetzung meinerWanderfahrten.
Als ich mich noch in Trier aufhielt, bot mir der Bürgermeister Bolandt durch Vermittlung des
Paters Jakobin, genannt Morel, und des Herrn Hainot den Rang eines Hofrates bei Sr. Gnaden
in Trier an mit einem Gehalt von 100 Goldbatzen, zwei Fässern Wein und 20 Maltern Korn,
dazu hin und wieder zwei Gewänder. Darauf wurde ich von Sr. Gnaden selbst empfangen und
blieb einige Zeit in Philippsburg und Speyer, indem ich als Advokat und Hofrat den Ort
wechselte.
Einstmals schickte mich Se. Gnaden mit seinem Kanzler nach Speyer. Da suchte ich um
Urlaub nach, um meine Abrechnung mit Frau von Berg zu machen. Zunächst in Köln
angekommen mit der Absicht, anderen Tags mit der Post nach Philippsburg zurückzufahren,
war ich ganz erschlafft und wurde von einer unangenehmen inneren Krankheit befallen. Man
pflegte mich, gab mir Getränke, Pulver und Abführmittel. Schließlich verschlimmerte sich
mein Übel von Tag zu Tag und so mußte ich wohl oder übel aufs Schiff steigen, um meine Frau
Mutter aufzusuchen.

Am 3. Juni [1627] kam ich durch Gottes Hilfe mit meinem Gepäck und 300 Talern, die ich mir
erspart hatte, durch die Nachstellungen der Räuber hindurch und wohlbehalten in Borken an.
Hier verwandelte sich meine Krankheit in Wohlbefinden. Wie wenn nun Gott mich stärken und
mit gütigem Schicksal entschädigen wollte für meine Arbeiten und das große Ungemach, das
ich während meiner Studien erduldet hatte, wurde ich von einer ehrbaren Liebe zu einer sehr
schönen, jungen und bescheidenen Jungfrau ergriffen. Ich hielt bald bei ihrem Vater um ihre
Hand an. Er beriet dies einige Tage mit dem Grafen von Schaumburg, meiner Frau Mutter und
allen seinen Verwandten, willigte in die Heirat ein und feierte die Vermählung im Schlosse
Gemen. Hier beehrte uns S. Gnaden Graf Jobst Hermann von Schaumburg selbst und nach und
nach sein ganzer Hof drei Tage hindurch mit ihrer Anwesenheit. Am vierten lud er unsere
Eltern und alle anderen Gäste zu Tafel in seinen Saal. Hier fühlten wir uns sehr glücklich und
hier unterzeichneten S. Gnaden selbst und der Droste nach unseren Eltern den Ehevertrag. Am
19. August fuhren wir mit meinem Herrn [Schwieger]vater in seinem Wagen nachMünster, um
hier einige Zeit zu verbleiben und ruhig die Zeit abzuwarten. Um unsere Flitterwochen zu
verbringen, blieben wir dort bei Herrn Licentiaten und Offizial A. Detten zum Preise von 50
Reichstalern jährlich.

Am 16. Oktober ritt ich auf dem Pferde meines [Schwieger]vaters nach Gemen und von da zur
Primiz meines Vetters Jan Buckhorn, Kanonikers in Vreden. Am 19. Oktober kehrte ich mit
dem Wagen nach Münster zum Herrn Offizial zurück. Unterdessen hatte mir am 9. November
die Äbtissin von Elten, Vreden, Borchhorst und Freckenhorst82 das Amt eines Syndikus mit
dem des Amtmanns in Vreden angeboten. Doch bevor ich mich entschloß, übertrug mir Jobst
Hermann, Graf von Schaumburg, Holstein und Sterneberg, Herr von Gemen und Berge, den
Rang eines Hofrates mit einem Jahresgehalt von 400 Talern. Also nahm S. Gnaden mich in
seinen Dienst, nachdem ich ihm den Eid der Treue geschworen und eine Versicherung meiner
Versprechen gegeben hatte. In Übereinstimmung damit gab mir S. Gnaden am 23. September
1628 noch den Rang eines Freigrafen [von Gemen] mit einem Gehalt von 200 Talern.
Die Ableitung meiner Herkunft.
„Ihm Jhaer tausendt verhundert und Elf ist Frederich Rave auß Westphalen, eintziger Erbe deß
Hauses Canstein im Stift Paderborn gelegen, wegen fur der Faust et duello entleibten Edelman,
auß dem Landt gewichen, dieser orter ankommen und zu Winterswyck ahn einer van
Deipenbroeck adlichen stams verheiratet und darmit gezeuget veir Shoene, Florentz und
Ortwein und Friederich und Heinrich83. testantibus litt. de 1616, welche in orig. Frederich von
Hovel zu Handen hatt."

82 Agnes Gräfin von Limburg und Bronkhorst. Sie war mit den Grafen Schaumburg auf Gemen verschwägert.
83 Ursprünglich stand hier: „Zwo Shoene Henrich und Florentz".— Diese Familienaufzeichnungen werden hier nur als Quelle behandelt und an anderer Stelle bearbeitet werden. Vor allem ist die Abstammung aus dem Hause Canstein sehr zweifelhaft.

Die Ableitung der Linie des Florentz zu Rolvinghof.
„Florentz haet sich ahn deß Edlen hern Johan van Ghemen Ritter hoff begeben, und ahn wolg.
Hern natorlichen Doechtern sich bestadet; darmit in dotem uberkommen den Rolvinghoff /:sub
reluitione 600 flureorum :/ bey Ramsdorff neben anderen Gueteren gezeuget: einen Shoen
Florentz imgleichen naech seinen Uhrhergken genant, welcher sich verheiratet an Einer van der
Korten. Gezeuget Everwein und Heinrich, welcher whansinnich gestorben.
Everwein aber verheyraetet ahn einer natorlicher van Deipholt, gezeuget Arndt und Everwein.
Arndt jung gestorben.
Everwein sich verheyraetet ahn Anna von Niehoff, gezeuget eine Einige doechter, auech Anna
genant, welche vermhelet ahn Hermansen van Hovel, itz Erbgesessenen auf dem Rolvinghoeff,
gezeuget veile Kinder."

Die Ableitung der Linie des Heinrich.
„Heinrich haet sich bestaedet ahn einer van der Korten zu Ghemen. Darbey gezeuget zwo soene
und zwo Doechter, alß Conradt, bestaedet ahn einer von Bermtloe, gezeuget eine Dochter
Marie, ahn Johan Kamphauß zu Cosfelt verheyraet, gezeuget Cordt, welcher Richter zu Cosfelt
jhemerlich und uber Recht umbkommen. Reiner in Franckreich bleiben, und veir Doechter,
derer zwo ahn Peter und Cordt Raethorn Gebruederen, die dritte ahn Cordt de Roede van
Heckeren, die veirte ahn Johan Schroeder bestaedet.
Ortwein aber Fredrich84 Shoen und Conradts Brueder haet sich ahm Bischofflichen Hoff zu
Münster begeben und van den Hem Bischoffen Henrico tertio van Swartzenberg daß Gogericht
zum Homborn und auffm Braemumb daß Jhaer 1490 erworben. Seine erste Hausfrawe eine van
der Marck zu Ottenstein ohne Leibserben verstorben. Aber daernach in zweiter Ehe mit Belen
van Wanscherin gezeuget:

Frederichen, Gograf und Richter, gestorben 1578, 1. May; Heinrich, Vogt zu Recken, Ortwein
fur der Knickhorst Fendrich gepleiben,Wilhelm in Ungarn fur den Turcken erschlagen, Florent
Borgermeister zu Bechem, Conradt, Richter zu Cloppenborgh und dessen Sohn nach dem Rein
verheyratet. Johan und zwo Doechter Anna und Sophia, welche binnen Leiden in Hollandt
bestadet worden. Von Johan komen die Corvini Doctores Juni[ores ?].
Frederich aber Ortweins Shoen ist naech seinen Vattern Gogreff und Richter binnen Borken
worden, haet voem Kunig in Spanien Underhalt und Bestallung gehaebt, gewonet auf dem
Haell bey Gescher, gezeuget mit seiner Hausfrawen Christienen, Jurgen, Ortwein und
Elysabeth. Jurgen, Munsterischer Cantzeley Secretarius, mit Catharinen Groteges gezeuget Wennemaer,
Johan, Ortwein, Wilhelm, Stine, Adrian. Auf welchen Johan allein gezeuget seinen Shoen
Jorgen, Munstrischer Haubtmann85 und Catrinen. Lysebeth bestadet ahn Berndt Szeinen, gezeuget Berndt und Marie. Ortwein naech seinen Vattern Gograeff und Richter worden, mit seiner erster Hausfrawen
Gertrueden Ludgerus anno 1563 vermhelet, erstlich gezeuget anno 1569 Frederich, naech der
Tauffe gestorben. Anno 1572 dernaech Ortwein sub tauro, itziger Gograff und Richter,
gestorben den 15. Januar 1641.

84 Hier stand ursprünglich: „Henrich".
85 Ursprünglich: „Lieutenant".

Anno 1575 sub artete Mariam, ahn Diderichen Theben verheiraetet, Rentmeisteren zu Borcken.
Anno 1577 sub pisce Annam, Haußfrawen Henrichen Fischers, Rhaethern zu Borcken.
Mit der anderer Ehe hausfrawen Annen Kottingh 1584 bestadet und gezeuget Gertruden 1585
sub aquario, verheiraetet ahn Theodoren Schutte erstlich und darnaech ahn Adrian Mowen,
Richtern zu Stadtloen. Mortua in Statloon.
Anno 1587 sub mercurio et cancro Frederichen bestadet erstlich ahn Gertrudten Budden und
darnach ahn Enneken Meyers, ist worden Grafflich Schawenburgscher Vogt zu Utersen bey
Pinneberg.
Anno 1590 sub aquario Christin, verheiratet an Heinrichen van Alten. mortua 1664 Junii.
Anno 1593 Gerharten sub scorpione bestaedet ahn Gertruden Ebbing, Raetsverwanter und
Kirchmeister, Burgermeister zu Borcken.
Anno 1596 Hermansen sub virgine ist canonicus der CollegiatKirchen Sti. Remigii zu Borcken
und Tumbstifft zu Minden.
Und anno 1599 ahm 19. Septemb. sub libra mich Georgen, verheyratet ahn Marien Ludgers,
anno 1627 auf Vastabendt zu Ramsdorf. Mit der gezeuget ihm Jhaer tausendt seshondert
zwentzich neun anni 1629 86 ahm 23. Monatz Decembris auff Saterdach umb 3 Uhrer
naechmittag sub signo sagittarii87 einen shoen Joest Herman, durch Meinen Gnedigen Graven
und Hern van Schawenbourg also benambset, dessen Gn. darzu Neben der Edlen,
Ehrentuegentreichen Agnes catherine von Münch, Drostinne zu Ghemen, und Heer Herman
Rave, Canonich, patten sein gewesen, die Kindertauf ist zu Ramsdorff und Ghemen gehalten.
Anno 1630 am 19. Decembris ist mein Vatter salich Johan Ludgers zu Munster zwischen 2 und
3 Uhren nachmittach nach vollendenter Communication zwischen dem Stift Munster und
Herschafft Gehmen Christlich entschlaffen und Ich selbigen Leich nache unsern Guetzgen nach
Ramsdorff fharen und erlich daselbst zurerden bestatten lassen."

Grabinschrift zu Ramsdorf:
Unter dem Kreuz ward Johannes und seine Gemahlin geboren,
Ganz für das Kreuz lebten beide, von wechselndem Schicksal gestoßen, Eins mit dem Kreuz
verstarb uns in Münster der Amtmann von Borken. Bitteren Herzens folgte Maria dem Manne,
doch Welche der Tod getrennt, hat der Sohn hier wieder vereinet. Wegen des Kreuzes nimm beide, o
Gott, zu Dir in den Himmel!
„Anno 1631 am 6 Septembris hora 9 vespertina sub signo virginis87 [zu] Ramsdorf gezeuget
mein Shoen Joannem Ortwinum, durch Hern Johansen Buckhorn [s. o.], dem Gogreven
Ortweinen Rave und Meiner Muttern auß der Tauff erhoben zu Ramsdorff"88. Der dann am
Vortag Martini, am 10. November des gleichen Jahres starb und in Ramsdorf begraben wurde.
Im Jahre 1632, Dienstag, den 11. Februar, des abends zwischen 10 und 11 Uhr ist die
ehrenwerte. Frau Maria Wasservort, Wwe. Ludgers, meine geliebte [Schwieger]mutter, fromm
und mit allen Sakramenten versehen zu Borken gestorben. Sie wurde nach Ramsdorf überführt
und neben dem sel. Vater beigesetzt.
„Anno 1633, den 21. Aprill, Donnerstach umb veir Uhren deß Morgens sub signo tauri ist zu

86 Beide Zifern verbessert aus „acht" (?). Vgl. hierzu seine Angaben S. 37, wonach er nicht Vastabend, sondern Mitte August geheiratet hat.
87 Es folgen einige astrologische Zeichen.
88 Von hier ab aus dem Lateinischen übersetzt. Das Deutsche folgt in Anführungszeichen.

Borcken geboren mein Soen Joan Diderich, durch den Heren Diderich Philips, Heren zu
Probstinck, Commendanten und Gouverneuren zu Borcken wegen Ihr. Furstl. Gn. zu Hestrup
als bey mir gelosiert, mein Bruderen Gerharten und Suesteren Mettgen, auß der Tauf gehoben.
Anno 1635, den 23. Februarii ist mein Mutter Anna Kottingh, als ich nacher den Curfursten zu
Coln verschickt gewesen, selich gestorben und bereitz vor meiner Widerkumpft zu Borcken in
der Kirchen neben Meinem Vattern salich begraben."
Am 17. August 1636 nach St. Annentag wurde mein kleiner Sohn Otto Ortwin zwischen 10 und
11 Uhr abends unter dem Zeichen des Löwen geboren. Paten waren mein gnädiger Herr Graf
Otto von Holstein-Schauenburg, mein Schwager Johann Ludgers und Nichte Johanna Kottingh;
getauft wurde er durch den Augsburger Pastor aus Schermbeck auf der Burg Gemen selbst.
Als ich schon das hessische Militär, die Eintreibungen und die Besatzung, zugleich auch die
Eroberung [Borkens] durch die Lüneburger von 1632 bis 1636 mit größtem Schaden für mein
Haus und unter vielen Kosten ertragen hatte und endlich nicht weniger durch diese Trübsal als
durch die wütende Pest die Stadt zu verlassen und auf die Burg Gemen zu ziehen gezwungen
war, besetzte die Äbtissin von Vreden in der Nacht vom 22. März 1638 durch Gewalt die Burg
Gemen und zwang mit bewaffneter Hand uns Schaumburger Beamten, alle abzuziehen. Von
dort weg habe ich mich vor den Plünderern sechs Wochen in der Burg Baernsfeld verborgen
und ging dann auf die Burg Raesfeld, wo ich mit allenMeinen Wohnung nahm. Hier bekam ich
eine Anstellung von jährlich 100 Reichstalern unter dem Titel eines Amtmannes und Freigrafen
in Raesfeld und Heiden. Zu dieser Zeit ließ sich der berühmte Baron von Velen die Burg
Krudenburg und die Güter in Stangenholt für 50 000 Reichstaler verpfänden. 1639 kaufte er sie
erbschaftsweise. 1640 erwarb er die Herrschaft und das Gebiet Schermbeck und Brünen für
eine riesige Summe unter der Bedingung des Rückkaufs und der Nutzung durch den Gläubiger.
Inzwischen starb mein Herr, der vornehme Graf Otto von Holstein-Schaumburg am 15.
November 1640 unter ungünstigen Sternen, womit jenes erhabene Geschlecht durch
unglückliches Geschick erlosch.
Da ich nun von jeder Verpflichtung befreit war, bestätigte mir der oben erwähnte Baron
zunächst das Amt in Raesfeld. Dann übertrug er mir die Amtsmannschaft in Schermbeck und
zugleich bestätigte er auf das Gnädigste mich als seinen Hofrat und Richter von Schermbeck
und Brünen mit einem Jahresgehalt von 200 Reichstalern89.

 89 Das Amt Schermbeck war 1640 Alexander vom Großen Kurfürsten für 25 Jahre in Pfand gegeben.

Am 15. Januar 1641 ist mein Bruder, der Gograf Ortwin Rave d.J. in der ersten
Nachmittagsstunde nach viertägigem Fieber fromm entschlafen. (der Jüngere)
Im Jahre 1641 am Freitag, den 3. Mai, dem Tage der Kreuzauffindung zwischen 3 und 4 Uhr
wurde mir auf der Burg Raesfeld unter dem Zeichen des Stieres eine Tochter geboren. Sie
wurde über der Taufe gehalten von der Gräfin von Velen, Tante Agnes Spoltmann und
SchwagerMove. Sie erhielt den Namen AlexandrineMaria und heiratete später den Licentiaten
Friedrich Sack, Hofrat und Richter in Bentheim, der 1669 als Vater eines kleinen Sohnes
Friedrich Georg starb. Sie heiratete darauf den Licentiaten Henrich Nünning, dem sie einen
Sohn schenkte.

Am 7. April 1643 wurde die Burg Schermbeck in Besitz genommen und mir darauf mit der
Stellung des Amtmanns und Richters mit einem Gehalt von 200 Reichstalern zur Wohnung
überlassen. Dieses Amt habe ich mit wechselnden Geschicken zwischen Krieg und Frieden
durchgehalten. Michaelis 1663 habe ich das zurückgekaufte Richteramt in Hünxe und Brünen
unter Verzicht auf die übrigen zurückerhalten.

Nachdem mein Sohn Jobst Hermann Rave schon das Gymnasium (in Münster ?), in Köln die
Jura, in Speyer die Praxis, in Freiburg und Wien die Curia absolviert hatte, wurde er von Sr.
Gnaden dem Fürstbischof zu Münster — nachdem er schon aus Frankreich als Licentiat
zurückgekehrt 1656 in den Rat berufen war — nunmehr 1662 zum Archivar erwählt. Am 13.
Januar 1656 heiratete er die JungfrauModesta von Büren. Diese Ehe segnete Gott im folgenden
Jahre mit einem Sohn, den ich in Coesfeld aus der Taufe hob und Johann Georg nannte. Die
weiteren Kinder waren Ferdinand, der bald starb, Johann Bernard, Otto Hermann, Christoph
Bernard, Maria Elisabeth und noch drei Töchter.

Mein Sohn Johann Theodor ging nach Besuch des Gymnasiums im Jahre 1653 um Michaelis
nach Speyer, zur Herbstmesse nach Frankfurt und von da nach Freiburg im Breisgau. Dort
wurde er nach einem Jahre Hauslehrer der Barone de Mercy und studierte jetzt 1657 dort auch
Jura. Ende 1657 kehrte er nach Schermbeck zurück und zog am 3. Juni 1658 wieder nach
Speyer. 1660 ging er nach Frankreich, machte seinen Doktor und kam Anfang 1662 zurück. Mit
der Jungfrau Pauline Schmidjans, des Doktors Schmidjans Tochter, ging er im Januar 1663 die
Ehe ein. Im Jahre 1664 wurde er in den Rat der Ehrwürdigen Reichsgräfin und Äbtissin in
Essen berufen. Darauf erhielt er die Ernennung des Fürsten zu Münster in seinen Rat und als
Stadtrichter von Münster. Er hat einen Sohn Georg Heinrich und eine Tochter.

Mein Sohn Otto Ortwin absolvierte 1657 zu St. Johannis wie seine Brüder das Gymnasium und
studierte dann Theologie, um sich als einziger von den dreien Gott und seiner heiligen Mutter
zu weihen. Am 3. Juni 1658 zog er zusammen mit Johann Heinrich von Büren nach Freiburg im
Breisgau, von wo er im Sommer 1663 als Licentiat der Rechte zurückkam. Am 22. Februar ging
er mit 325 Reichstalern versehen nach Frankreich, 1664 nach Lüttich, um Jura zu studieren, und
erhielt von Everhard Frialdenhofen [s. o.] 100 Escus. Als er dann schon zum Kanonikus und
Licentiaten der Rechte ernannt und ihm die Gerichtsbarkeit im Bezirk Macharen in der
Grafschaft Megen90 übertragen war, starb er Allerheiligen 1666 zu Schermbeck an der
Schwindsucht; fromm ergeben in den Armen seiner schmerzerfüllten Eltern. Acht Tage darauf
wurde er in der Pfarrkirche zu Schermbeck ehrenvoll bestattet. Zu seinen Lebzeiten hat er sich
folgende Grabinschrift verfaßt, die in Altschermbeck neben dem Altare angebracht ist:
Teueres Fleisch, das mit großen Kosten die Welt hat durchwandert, Liegt hier verborgen und
modert, den ekelen Würmern zum Fraß! Früh in der Blüte der Jugend starb ich mit dreißig
Jahren, Hin zum Gestirn kehrt der Stoff in die früheren Formen zurück. Weisheit und Recht
erlernt ich in Östreichs und Frankreichs Gefilden, Wehe! Mir war's nicht vergönnt, der Welt
mein Können zu zeigen, Bald schon senkte der Tod mich Armen in finstere Grüfte. Also weihe
ich Gott mein Trachten und all mein Wollen,
Frommen Herzens erfleh ich, nimm, Gott, mich in deinen Himmel!

90 Das Dorf Macharen in der an der unteren Maas (a. Karte) gelegenen Grafschaft Megen. Diese war ein von den
Niederländischen Generalstaaten unabhängiges brabanter Lehen, du damals Alexander v. Velen in Besitz hatte. Vgl. A. Fr Büsching, Erdbeschreibung, Hamb.1792, X, 206.

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